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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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eigentliche Schimpfwort. Was war aus diesem Blickwinkel mit »Säuglings-Eino« nicht in Ordnung? Er vermutete, daß der Abstand zwischen einem richtigen Mann, also einem Polizisten, und einem finnischen »Säugling« größer war als zwischen demselben Polizisten und einem »Baby«, etwas in der Richtung.
    Sollten sie ruhig damit weitermachen, so böse war es schließlich doch nicht gemeint. Außerdem war es auf etwas komische Weise ungerecht, daß dieser Ausdruck »plötzlicher Kindstod« keineswegs seine Erfindung gewesen war. Vielmehr hatte gerade er eine Mordermittlung in Gang setzen wollen, weil er nicht daran glaubte, daß Lasse Holma eines plötzlichen Kindstodes gestorben war. Aber seit wann beruhen Anfeindungen im Job auf Logik und Gerechtigkeit?
    Er hatte das Ganze auf die Zeit nach Neujahr verschoben, nach der Beerdigung. Jetzt war das neue Jahr da, Lasse Holma war beigesetzt, und nun sollte er es in Angriff nehmen, zu Liisa Holma zu fahren und sie zu vernehmen. Sehr viel mehr Anhaltspunkte hatte er im Moment nicht. Er hatte jedoch gehofft, daß er über die Angelegenheit etwas mehr wissen würde, bevor er sich an diesen schwierigen Schritt heranwagte. Was sollte er ihr antworten, wenn sie fragte, ob man den Verdacht habe, ihr Mann sei ermordet worden?
    Sie würde vielleicht anfangen, einen der Chefs in der Polizeidirektion anzurufen, dann vielleicht noch die Zeitungen, und danach würde es dem Kollegen Säuglings-Eino schwerfallen, sich vor dem Polizeidirektor zu rechtfertigen, diesem Kerl aus Östergötland.
    Er sah ein, daß er warten mußte. Aber das war auch nicht gut. Zwei Wochen waren schon vergangen, und die Spuren erkalteten. Offiziell untersuchte er ja immer noch einen Diebstahl von Multbeeren, von tiefgekühlten Multbeeren aus Murmansk in einem Gesamtwert von höchstens zehntausend Kronen. Das hatte man unten bei NORRFRYS errechnet. Der Raum, der in dem Fernlaster sozusagen übrig war, entsprach fünf Kartons mit tiefgekühlten Multbeeren.
    Eino Niemi fiel nur eins ein, was ihm vernünftig erschien und zugleich rein formal etwas mit der Frage des Multbeerendiebstahls zu tun hatte. Er rief die Firma NORRFRYS an und erhielt die Namen und Telefonnummern einiger Fahrer, die auf der Murmansk-Route eingesetzt wurden. Er erreichte nur einen von ihnen, aber die Antworten auf seine Fragen erschienen ihm recht befriedigend.
    Die Fernlaster wurden immer voll beladen, bis an die Decke und bis zu den Hecktüren. In Murmansk gab es immer große Lager tiefgekühlter Beeren, und es wäre vollkommen sinnlos gewesen, einen bestimmten Raum freizulassen. Mit dem Gewicht oder so hatte es nichts zu tun.
    Eino Niemi bedankte sich für das Gespräch und notierte sich, welche Fragen man den Fahrern vielleicht noch stellen konnte, wenn die Ermittlungen irgendwann eine andere Richtung einschlugen: Wie ging es bei den Grenzkontrollen zwischen Rußland und Finnland zu, wo wurden die Lastwagen beladen, waren die Fahrer dabei anwesend, war einem der Fahrer das Angebot gemacht worden, etwas zu schmuggeln?
    Bis auf weiteres hatte es also den Anschein, als umfaßte das Diebesgut nur ein Volumen von fünf Kartons Multbeeren. Es mußte jedoch etwas Wertvolleres gewesen sein, etwas, wofür Menschen einander töteten.
    Eino Niemi fühlte sich plötzlich machtlos. Solange er nur wegen der gestohlenen Multbeeren ermitteln sollte, konnte er kaum mehr tun als im Augenblick. Und außerdem gab es, wenn es nur um diese verfluchten Multbeeren ging, eigentlich wichtigere Dinge aufzuklären. Nach Weihnachten und Silvester hatte es zahlreiche Schlägereien unter Betrunkenen gegeben, und das bedeutete Arbeit für mindestens eine Woche.
    Als das Telefon läutete, starrte er es zunächst voller Abscheu an, als hätte er nicht die Absicht, abzunehmen, doch dann hatte er einen Einfall, lächelte selbstironisch und riß den Hörer an sich:
    » Sylilapsi-Eino « brüllte er streng.
    »Verzeihung, ich spreche nicht Finnisch… Ist Kriminalinspektor Niemi zu sprechen?« fragte eine kultiviert klingende südschwedische Stimme.
    » Kyllä! Am Apparat!«
    »Aha, wie gut. Hallo, hier ist Anders Eriksson vom Gerichtsmedizinischen Institut in Umeå. Hast du mein Fax bekommen?«
    »Nein… Hast du ein Fax geschickt?« entgegnete Eino Niemi und fühlte, wie er errötete und gleichzeitig sein Puls schneller wurde.
    »Ja, vor fünf Minuten. Sei doch so nett und hol es, dann kannst du mich gleich anrufen. Ich werde dann erklären, was erklärt werden muß«,

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