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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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des Nachrichtendienstes wie der operativen Seite natürlich die Folge einer solchen Zwietracht sein würden. Es lag etwas menschlich Zwingendes darin, den Versuch zu machen, die beiden Freunde wieder zusammenzuführen. Das war mit Sicherheit wichtiger als alle praktischen Fragen. Außerdem hatte Samuel Ulfsson ein entschieden schlechtes Gewissen. Auf gewisse Weise hatte Carl ihn ständig hereingelegt. Er war von Aufträgen zurückgekommen, die in Wahrheit entsetzlich gewesen sein mußten, hatte sie aber in seinen schriftlichen Berichten und den nüchtern vorgetragenen mündlichen Schilderungen lediglich als eine Folge von Tatsachen zusammengefaßt. Erst jetzt erkannte Samuel Ulfsson das Absurde der Situation. Er hatte sich dazu verleiten lassen, die sachliche und formelle Haltung für natürlich zu halten, ganz einfach deshalb, weil er sich daran gewöhnt hatte. Er war ja selbst nie fortgewesen.
    »Nun«, sagte er ruhig. »Ich habe Åkes Bericht zu den Akten gelegt und beschlossen, keine Maßnahmen zu ergreifen. Wenn es also um die offiziellen Konsequenzen geht, bist du von jeder Verantwortung befreit. Was das rein Persönliche betrifft, bin ich der Meinung, ihr solltet euch mal zusammensetzen und über manches aussprechen, was ich nicht verstehen kann. Ich empfehle ein ausführliches Gespräch unter Freunden.«
    Carl reagierte zunächst nicht. Dann krümmte er sich plötzlich fast wie unter Krämpfen, biß die Zähne zusammen, als litte er unter Schmerzen, und schloß fest die Augen. Er blieb eine Zeitlang in dieser eigenartigen Stellung sitzen. Doch dann nahm er sich zusammen, richtete sich auf, rieb sich die Augen, als stünden Tränen darin, und blickte Samuel Ulfsson starr in die Augen.
    »Verstanden. Zu Befehl«, sagte er.
    »Das war kein Befehl, Carl.«
    »Ich weiß. Ich habe mir eine kleine Ironie über die Welt erlaubt, in der wir leben, du, ich selbst und Åke. Doch jetzt zur nächsten Frage.«
    Carl legte dar, wie kein Geringerer als Jurij Tschiwartschew während seines Moskau-Aufenthaltes mit einem anrüchigen Ansinnen an ihn herangetreten sei.
    Kaum hörte Samuel Ulfsson Tschiwartschews Namen, fühlte er sich fast sentimental interessiert. Wahrscheinlich war dieser Mann der beste Resident, den das GRU je in Stockholm besessen hatte, und zur Zeit des Ost-West-Konflikts ihr persönlicher Erzfeind.
    Und eben dieser hatte Carl einen Seitenkanal an den Regierungen der beiden Länder vorbei angeboten. An der Logik war nichts auszusetzen. Wenn es sich tatsächlich so verhalten konnte, daß hochgestellte Politiker in Moskau an einem Versuch beteiligt gewesen waren, Kernwaffen außer Landes zu schmuggeln, und genau das hatte Tschiwartschew ja angedeutet, war die Situation sehr kompliziert, wie es auf russisch geheißen hätte.
    Wäre Schweden noch von Sozialdemokraten regiert worden, hätte man das Problem wohl auf recht einfache Weise lösen können. In operativen Begriffen gesehen war es nämlich einfach. Dann hätte man, ob nun aus Notwendigkeit oder praktischen Erwägungen, selbst mit dem Teufel zusammenarbeiten müssen, denn man hätte das Übel sofort mit der Wurzel herausreißen müssen, um einen illegalen Handel mit Kernwaffen aus der ehemaligen Sowjetunion zu verhindern.
    Doch jetzt hatten sie es offensichtlich mit einem Ministerpräsidenten zu tun, der Carl zufolge gar nicht den Willen hatte, diese Zusammenhänge zu verstehen. Und es war ja unleugbar Carl, der da oben beim Ministerpräsidenten arbeitete. Bei der Regierung galt offenbar die Devise, daß man Russen am besten auf Armeslänge von sich weghalten müsse, vor allem Russen beim GRU. Oder vielmehr hieß es beim Ministerpräsidenten so, da er höchstpersönlich in allen sicherheitspolitischen Fragen entschied – denn nach seiner eigenen Auffassung war sonst niemand dafür kompetent genug.
    Man sollte Generalleutnant Jurij Tschiwartschew natürlich alles geben, was er verlangte, jede nur mögliche schwedische Angabe über die Operation Dragon Fire, alles. Solche Informationen konnten Schweden nicht im mindesten schaden, würden die Welt aber etwas sicherer machen. Insoweit war alles einfach.
    Wenn aber der Ministerpräsident persönlich und damit die Regierung und somit auch jedes Gesetz ein so vernünftiges Handeln verboten?
    »Was zum Teufel machen wir dann?« wollte Samuel Ulfsson wissen.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Carl und lächelte. Zumindest zeigte er zum ersten Mal bei dieser mehr als einstündigen Unterhaltung die Andeutung eines

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