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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verführerisch, die Frage mit ja zu beantworten. Aus diesem Grund wußte er nicht, ob er jetzt auch nur sich selbst gegenüber ehrlich war. Er glaubte oder wollte glauben, daß es durchaus möglich war. Er hätte in dem entscheidenden Augenblick ebenfalls zögern können.
    Und dann zu Sams Schlüsselfrage: Wenn du’s getan hättest, was hättest du dann deinem Vorgesetzten gesagt, ob Freund oder Feind? Was hättest du gesagt? Was hättest du mir gesagt?
    Er hätte Sam ebenso selbstverständlich angelogen, wie Åke ihn angelogen hatte. Eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht.
    »Du scheinst gerade an was Lustiges zu denken«, sagte die Abteilungssekretärin, als sie im selben Moment anklopfte und durch die halboffene Tür trat. »Dieser Aktenordner kommt von der Stockholmer Polizei.«
    »Ja, das tue ich tatsächlich«, erwiderte Carl unschuldig.
    »Vielen Dank. Leg ihn auf den Schreibtisch.«
    Lustig, dachte er. Hatte er ausgesehen, als hätte er dagelegen und an etwas Lustiges gedacht? Wenn überhaupt, dann wegen der Möglichkeit, alle privaten Dinge übers Wochenende regeln zu können. Sie würden Tessies Beförderung feiern, sogar Åkes Auszeichnung durch den finnischen Präsidenten (wobei er und Åke vielsagend erklären würden, der Hintergrund sei streng geheim), sie würden gut essen und trinken, obwohl Anna und Tessie keinen Alkohol mehr tranken, eine Flasche Château Latour 1982, etwas in dieser Güteklasse, ja, insgesamt dachte er natürlich an etwas Angenehmes.
    Das Eintreten der Sekretärin hatte ihn jedoch in seinen Gedanken gestört. Er erkannte, daß dieser Aktenordner von der Polizei die Hoffnung der Kollegen Rune Janssons enthalten mußte, es könne gelingen, in die Stockholmer »Mafia« einzudringen. Luigi würde das sicher für einen lustigen Auftrag halten. Carl nahm sich vor, Rune Jansson anzurufen und nach eventuellen neuen Informationen zu fragen, bevor dieser erfuhr, daß sie gemeinsam an einem so unwahrscheinlichen Ort wie Murmansk eingesetzt werden sollten.
    Der Job in Murmansk würde einfach werden. Von Murmansk konnte niemand so leicht ausreißen, und die Bande da oben hatte bis jetzt keinen Grund zu der Annahme, daß das Ende sich näherte. Eine Stadt mit einer solchen Konzentration strategischer Geheimnisse mußte über hervorragende Sicherheitsorgane verfügen. Dort lebte kein einziger unregistrierter Ausländer, dort behielt man jeden im Auge. Selbst wenn es den KGB nicht mehr gab, so gab es noch Archive und Beamte, sicher in den gleichen Uniformen wie zuvor, nur mit einem neuen Namen.
    Ja, es würde einfach werden. Rune Jansson würde seine Mörder wohl bekommen. Jurij Tschiwartschew konnte es schaffen, die Verschwörung zu knacken, welche innenpolitischen Konsequenzen das auch immer mit sich bringen mochte.
    Und er selbst würde seine Rache bekommen.
    Dieser Gedanke ließ ihn innerlich zusammenzucken. Aber es stimmte schon. Er würde sich an den Menschen rächen, die ein Dutzend Kameraden losgeschickt hatten, um sie von den Schweden hinrichten zu lassen. Die korrektere Reihenfolge für die verschiedenen Nuancen der Zufriedenheit wäre wohl gewesen, sich zunächst darüber zufrieden zu fühlen, daß die Bande der Kernwaffenschmuggler schon bald aufgelöst, verurteilt, hingerichtet sein würde: Die Männer würden ja nicht vor einem schwedischen Gericht landen.
    Erst danach hätte er sich vielleicht widerwillig eingestehen sollen, daß es auch aus einem rein persönlichen Blickwinkel angenehm war zu wissen, daß derjenige, der einen in die Hölle gelockt hatte, am Ende doch würde bezahlen müssen.
    Es hatte jedoch den Anschein, als wäre er dabei, das Dasein auf den Kopf zu stellen. Früher hätte er wohl erst an die politischen und praktischen Dinge gedacht, und erst dann an die privaten. Jetzt machte er es offensichtlich umgekehrt. Lag es daran, daß er irgendwo im Hinterkopf von einem zivilen Leben in Kalifornien träumte?
    Er erinnerte sich daran, daß er Tessie fragen mußte, ob es in dem Sorgerechtsstreit etwas Neues gab. Er stand im selben Augenblick entschlossen auf und ging zum Telefon. Zunächst führte er ein kurzes Gespräch mit Rune Jansson, bedankte sich für die Akten, versprach, sich sofort zu melden, falls sich auch nur das kleinste Ergebnis zeige, und bat danach fast nebenbei um einen kleinen Gefallen.
    Er wollte nämlich etwas mehr darüber wissen, weshalb der ermordete Lastwagenfahrer in Haparanda sich ausgerechnet Trinidad als geeigneten Ort dafür

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