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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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von ihrem Großvater schenken!«
    Der Alte schluckte, als hätte er etwas zu Scharfes in die Kehle bekommen. »Du wirst doch’n ollen Mann nich dieTreppen loofen lassen? Denn komm lieber mit ruff und trink Mutters Kaffee! Freut sich die Frau!«
    »Du holst mir die Peitsche runter, oder sie bleibt hier!«
    »Bleibt se ebent hier!«
    »Na, denn ’n Abend, Vater!«
    »’n Abend, Heinz.«
    Heinz war schon unter dem Torweg, da rief der Alte: »Bubi!«
    »Was denn noch?«
    »Warte! Ick schmeiß se dir runter, aus’m Fenster! Biste nu zufrieden?«
    Heinz überlegte, ob er nun zufrieden sein konnte. »Meinethalben«, sagte er dann. Aber als der Vater im Treppeneingang verschwand, mußte er ihm doch noch einmal nachrufen: »Oller Dickkopp!«
    Diesmal antwortete der Vater erst, als er aus dem Fenster sah. »Da haste se, Dickkopp!« rief er. »Paß uff, det se nich in’n Dreck fällt, jetzt is se noch schön weiß.«
    Der Sohn fing sie. »Na, denn, Vater!«
    »Na, denn, Bubi! – Und en Dickkopp bin ich übrigens jar nich, aber eisern, det bin ick!«
    »Das bildest du dir nur ein, Vater, daß du eisern bist – du bist ein ganz gewöhnlicher Dickkopp!«
    »So wie du? Nee, ick bin eisern!«
    Und damit warf der Alte die Fenster zu, daß sie klirrten, um doch wenigstens das letzte Wort zu haben.

11

    Wie immer, wenn er bei den Eltern gewesen war, ging Heinz nicht den direkten Weg zur Bahn, sondern er machte den Umweg an dem kleinen Papierwarengeschäft von Frau Quaas vorbei. Da stand er immer eine Weile und verfolgte die Entwicklung der Zeit im Schaufenster; augenblicklich waren Schlagerpostkarten, teils süßlich, teils unanständig, die großeMode. In den Laden selbst aber ging er nicht mehr, die Witwe Quaas belästigte er nie wieder, seit er einen Brief bekommen hatte: »Ich will Dich nie mehr sehen. Aber daß Du Mutter auch quälst, finde ich einfach gemein von Dir. Deine Irma.«
    Seit diesem Brief also stand er nur vor dem Laden, sah sich das Schaufenster an und wartete etwa fünf Minuten. Nie länger, dann war es genug, dann ging er.
    Manchmal dachte er wohl: Es ist ja blöd, daß ich hier immer noch hergehe! Ich würde Irma gar nicht wiedererkennen! Damals war sie doch bloß ein Hering.
    Aber trotz dieser Überlegung ging er immer wieder zu dem Laden. Er versuchte sich sogar vorzustellen, wie Irma jetzt aussehen würde – das war keine unangenehme Beschäftigung, man konnte gut fünf Minuten damit zubringen!
    Heute warf Heinz Hackendahl nur einen flüchtigen Blick in das Schaufenster. Seit seinem letzten Besuch gab es nur eine neue Ansichtspostkartenserie, diesmal Süßlichkeit und Gemeinheit gemischt. Die Bilder süß, der Text – zeitgemäß: »Ich hab das Fräulein Len baden sehn.
    Das war schön!
    Da kann man Waden sehn, rund und schön
    Im Wasser stehn!
    Und wenn ungeschickt sie sich bückt …«

    Den letzten Reim, die sechste Karte, hatte die Witwe Quaas nicht ins Fenster gehängt – es war ihr wohl zu hart geworden!
    Heinz dreht sich um, sieht die leere Straße auf und ab und fängt an, mit seinem Peitschchen zu spielen. Es ist ein feines Peitschchen, was der Vater da zurechtgemacht hat – schwipp, mit einer richtigen Peitschenschmitze und einem Neusilbergriff, bei dem das Messing schon etwas durchschimmert.
    Heinz hat lange keine Peitsche mehr in der Hand gehabt, und dies Ding soll er in einer Stunde seinen Neffen vorführen– er ist wirklich neugierig, ob er noch knallen kann? Also versucht er es, die Straße ist leer, und außerdem ist ihm egal, was die Leute denken! Vielleicht ist es ihm aber doch nicht ganz egal, denn sein erster Versuch fällt etwas matt aus: Das Peitschchen gab nur einen schwachen, hinsterbenden Laut von sich …
    Stirnrunzelnd schaut er sich nach dem Ladenfenster mit dem badenden Fräulein Len um. Aber er ist völlig unbeobachtet – seine Niederlage hat keine Zeugen gehabt. So hebt er noch einmal die Peitsche und schwippt richtig los, das gibt einen Knall wie einen Pistolenschuß!
    Und als habe er nur darauf gelauert, fährt ein Mädchenkopf aus der Ladentür und schreit zornig: »Du bist wohl ganz verrückt geworden?!! Willst du gleich machen, daß du hier wegkommst?!! Du bildest dir wohl ein …«
    »Irma!« sagt Heinz ganz verblüfft. »Hör doch mal, Irma …«
    »Ach was! Mit uns ist es aus, du dämlicher Bengel! Ich habe es dir ja geschrieben!«
    Damit fällt die Ladentür krachend zu, Heinz hört die jämmerliche Klingel aufgeregt losbimmeln. Und nun hört er auch den

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