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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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geworden, mit einigen Schmissen im Gesicht, aber trotzdem noch wohl zu erkennen …
    Sie begrüßten einander, und Heinz Hackendahl rief: »Höre einmal, Hoffmann. Herr Professor will durchaus ein Lehrer wie alle gewesen sein, am Ende behauptet er noch, es machte keinen Unterschied, ob der Kandidat – wie hieß er doch? Lieblich, Liebreich, Liebling? – uns unterrichtet hätte oder er?«
    »Hoho!« lachte Hoffmann in gewaltigem Baß. »Das wollen wir doch lieber nicht sagen. Weißt du noch, Hackendahl, wie wir ihn geärgert hatten, und wir mußten in sein Klassenzimmer zur Abbitte? Das verlangten Sie, Herr Professor!«
    »Ihr werdet euch schlimm genug benommen haben!«
    »Er war eine Wanze, eine völlig verächtliche Wanze!« sprach Hoffmann und geriet ohne alle Schwierigkeiten in den alten Schülerton. Und überhaupt reisten die beiden sehr rasch in die alten Schülertage zurück, und nach einer Weile reiste ihnen auch der Professor nach, fort aus den heutigen Zeiten …
    Das alte Mädchen mußte Tee und Kuchen bringen. Ein wenig besorgt suchte der Lehrer nach einer Zigarre, dieleicht genug war, der Jugend nicht zu schaden, und er verblüffte den Schüler Hoffmann höchlichst dadurch, daß er ihm heute, nach Jahren und Jahren, verriet, daß der Lehrer sehr wohl gemerkt hatte, der Abiturient Hoffmann hatte seine Examensarbeit abgeschrieben. »Aber ich wollte Sie nicht reinlegen, Hoffmann. Es war das letzte Notabitur mit sehr geringen Anforderungen, einer normalen Prüfung wären Sie nie gewachsen gewesen. Sie waren immer ein fauler Mensch, Hoffmann!«
    Sie wurden noch ganz vergnügt, alle drei, auch der alte Lehrer. Er zerbrach sich nicht mehr den Kopf darüber, was er denn eigentlich im Leben vollbracht hatte – schon im allgemeinen ist das eine recht heikle Frage, und zur Zeit war sie noch heikler …
    Später gingen Hoffmann und Hackendahl gemeinsam nach Haus. »Warte, ich bringe dich«, sagte Hoffmann. »Wo wohnst du eigentlich, Hackendahl?«
    »Nein, ich bringe dich«, sagte Hackendahl. »Ich habe Zeit …«
    »Was die betrifft, ich auch massenhaft!« sprach Hoffmann. »Ich habe zwar vor netto zweieinhalb Jahren meinen Referendar gemacht, aber auf Beschäftigung darf ich wohl noch einmal zweieinhalb Jahre warten. Oder auch fünf.«
    »Also auch arbeitslos?«
    »Natürlich, was denn sonst? Was ich von unserem Jahrgang noch sehe, das ist alles arbeitslos. Bitter, mein Sohn Hackendahl, drei, vier Jahre studiert und dann nichts mehr.«
    »Ich habe auch vier Jahre gelernt.«
    »Aber dann hast du doch etwas arbeiten können! Wir haben uns immer feste auf das Leben und seine Arbeit vorbereitet, und wie wir dann soweit waren für die Arbeit, da war die Arbeit weg. – Und was machst du? Schon verheiratet und Vater? Das hast du doch geschafft! Ich freilich hinwiederum …«
    »Das kannst du alle Tage schaffen.«
    »Rede nicht leichtfertig. Wieso denn? Dieses, mein Sohn Hackendahl«, sprach Hoffmann und bewegte seine gewaltigenGlieder vorsichtig im Tuchgehäuse, »dieses ist der einzige mir noch verbliebene anständige Anzug. Nur für feierliche Gelegenheiten wie einen Besuch bei Professor Degener oder eine völlig erfolglose Bewerbung wird er noch getragen. Meine anderen Hosen – nun schön, meine alte Dame erklärt, sie seien nicht mehr zu flicken!«
    »Alles wie bei uns!« rief Heinz Hackendahl. Und es ist nicht zu leugnen, er war fast erfreut darüber, daß es dem »Akademiker«nicht anders erging.
    »Nur daß ihr stempeln gehen könnt«, sprach Hoffmann. »Unser Hosenhintern hat zwar wie der eure Löcher, aber dafür haben wir Vorurteile … Stempeln gilt bei uns nicht für fein.«
    »Ein paar Akademiker stempeln auch bei uns«, meinte Hackendahl.
    »Na ja«, sagte Hoffmann. »Das sind so Bahnbrecher. Bald wird kommen der Tag, da der Vater, der Edle, spricht: Ich bleche nicht fürder …«
    »Ein bißchen anders hattest du es dir gedacht, was?«
    »Was gedacht …?«
    »Na, den ganzen Klimbim, das Leben.«
    »Freilich, freilich … Es ist schon eine Scheiße.«
    »Jawohl, Scheiße!«
    »Freilich, Scheiße!«
    Und einige Minuten vergnügten sie sich damit, einander das Wort »Scheiße« ins Gesicht zu sagen. Es war nicht bloß ein Wort für sie, es war wirklich – Scheiße.
    Später sprachen sie von ihrem alten Lehrer, von Professor Degener …
    »Was ist denn das für ein Unfall gewesen?« fragte Heinz Hackendahl. »Weißt du was davon, Hoffmann?«
    »Versteht sich. Hast du nicht gehört …? Eine bildschöne

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