Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
hol bloß ein paar Zigaretten!« und war fortgelaufen auf die Straße.
    Wenn er dann zurückgekommen war, hatte Irma seine Arbeit meistens schon erledigt, und er hatte ein bißchen mit dem Kleinen gespielt. Dann war ihm auch das über geworden, und wieder war er auf die Straße gegangen, um die ausgehängten Zeitungen zu studieren. Dann war er wieder in die Wohnung zurückgekehrt …
    Damals war ihm nicht recht zu Bewußtsein gekommen, wie ruhelos seine Beschäftigungslosigkeit ihn umtrieb. Aber jetzt, als er wieder vor einer Arbeit saß, fühlte er sie. Sie steckte in ihm, ewig wollte er aufspringen und loslaufen. Nicht an einen bestimmten Ort, zu einem bestimmten Tun – nein, einfach loslaufen …
    Er gab auf sich acht, er hütete sich, diesem Drang nachzugeben. Aber ein paarmal mußte er doch einen Tadel einstecken, daß er zu oft auf die Toilette gehe, man finde ihn nie an seinem Platz. Ihm war klar, daß er auf dieser Bank keine dauernde Arbeit bekommen würde, trotz aller Mühe, die er sich gegeben.
    Die zweite Aushilfsbeschäftigung, die er fand, war bei einem großen Textil-Versandhaus. Dort wurden Wochen hintereinander Hunderttausende von Drucksachen versandt, eine riesige Werbung, nach amerikanischen Methoden, um Schwung in den stets zögernder werdenden Absatz zu bringen. Das war die richtige Beschäftigung für Erwerbslose, zu einem Dutzend saßen sie zusammen, Männlein und Weiblein. Drucksachen wurden gefalzt. Anschreiben beigelegt, eine Bestellkarte dazugetan. Es wurden Adressen geschrieben, Briefe kuvertiert – und dann wurde alles in vielen Waschkörben zur Post geschleppt.
    Dabei wurde hin und her gelaufen, ständig konnte man seine Beschäftigung wechseln. Jetzt falzte man, jetzt packte man Drucksachen aus. Nun tippte man Adressen, und dann ging es los mit den Waschkörben, drei Straßen weit, zum nächsten Postamt. Und bei alledem wurde gelacht und geschwatzt, das Gefühl, Arbeit zu haben, ein paar Mark zu verdienen, machte auch den Mürrischsten vergnügt.
    Es gab kleine Eifersüchteleien, ein bißchen Zank, Diskussionen um ein verschwundenes Bindfadenknäuel. Fräulein Pendel und Herr Lorenz wurden überrascht, wie sie sich hinter der Tür küßten … »Hallo, hallo, ihr seid die Richtigen! Das nennt ihr wohl auch Drucksachen!«
    Nicht enden wollendes Gelächter …
    Hier erwarb sich Heinz Hackendahl die volle Anerkennung seiner Chefs. Er übernahm eine Art Kommando über die undisziplinierte Horde der Erwerbslosen. Es lag ihm, zu vermitteln, Gegensätze auszugleichen, anzutreiben, ein Arbeitspensum rauszuholen …
    »Bis Sonnabend noch die ganze Nordmark, einschließlich Hamburg? Jawohl, das wird sich machen lassen, das werden wir schon schaffen! Sorgen Sie nur dafür, daß wir rechtzeitig Adreßbücher bekommen, die Hauptarbeit macht immer das Adressenschreiben …«
    Eine Zeitlang durfte sich Heinz Hackendahl sogar der Erwartung hingeben, endgültig angestellt zu werden. Man machte ihm Hoffnungen, er war fleißig, voller Verantwortungsgefühl. Dann wurde doch nichts daraus. »Es tut uns leid, Herr Hackendahl, Sie wissen, wie gern wir Sie dauernd beschäftigt hätten. Aber der Erfolg der Werbung ist doch nicht so, wie wir erwarteten. – Nein, machen Sie kein Gesicht, sobald wir jemanden einstellen, denken wir an Sie. Wir schreiben Ihnen dann bestimmt.«(Sie schrieben nie.) Das waren zwei Lichtblicke, aber von zwei Lichtblicken kommt keine Helligkeit. Das Geld ging drauf für das Allernotwendigste, für Miete und Essen … Nie auch nur die geringste Anschaffung. – Und es mußte angeschafft werden,die Wäsche verbrauchte sich, die Kleidung verbrauchte sich. Die Schuhe mußten besohlt werden, und bald waren die Schuhe so, daß der Schuster sagte: »Ja, junge Frau, was soll ich mit den Schuhen machen? Die Sohlen sind hin, und das Oberleder ist kaputt – die Schnürsenkel sind noch ganz gut, jawohl, zu den Senkeln würde ich mir an Ihrer Stelle ein Paar neue Schuhe kaufen!«
    Die Eheleute rechneten hin und her, aber es ist eine alte Erfahrung, daß nach noch so langem Rechnen zehn Mark zehn Mark geblieben sind, das Rechnen hat sie nicht vermehrt. Die Unterstützungssätze für die Erwerbslosen wurden zwar erhöht, das ließ sich nicht leugnen, aber auch dann reichten sie nicht. Und aus der Erwerbslosenhilfe wurde die Arbeitslosenversicherung, aus der Stempelstelle ein Arbeitsamt. »Davon werden wir auch nicht satt«, murrten die ewig Unzufriedenen.
    Nein, es wollte nicht reichen, man mochte

Weitere Kostenlose Bücher