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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wenn ich mich selbst ungerecht bereicherte!‹ Ach, und während er mit mir schalt, sah er doch so hungrig auf das Paket. Er muß schrecklich gelitten haben, der alte Mann!«
    »Man kann ihn schon verstehen«, meinte Otto. »Er hat sich geschämt, schwach zu werden!«
    »Sie sagen das auch«, rief der Leutnant zornig. »Meine Mutter hat das auch geschrieben, er wäre ein großer Mann, er wäre für seine Idee gestorben. Er ist nämlich kurz nach meinem Besuch gestorben, an einer einfachen Erkältung, er hatte ja kein bißchen Kraft mehr in sich. – Aber er war kein großer Mann, Hackendahl, wie auch Ihr Vater kein großer Mann ist! Es ist nicht groß, für sein Vaterland zu verhungern! Für sein Vaterland? Seinem Vaterland hat er nichts Gutes getan – er ist für ein Idol gestorben, für einen richtigen Götzen, wie ihn die Wilden anbeten. Ein Holzdings ohne Leben und ohne lebendige Idee!«
    Hackendahl schwieg.
    Der Leutnant sagte ruhiger: »Sehen Sie, Hackendahl, zuerst erschüttert das einen immer, wenn man erfährt: Der und der ist für eine Idee gestorben, buchstäblich gestorben, und er hätte so schön und bequem leben können. Aber es ist nicht mit dem Tode allein getan – man muß auch für etwas Lebendiges gestorben sein, und der preußische Pflichtbegriff, für den mein Onkel und Ihr Vater leben, der ist längst tot. Der ist in einer Zeit entstanden, über hundert Jahre ist es her, da das Volk in bitterster Armut und völliger Haltlosigkeit lebte. Da mußte es solche Richtschnur haben. Aber mit alldem war es doch schon vor dem Kriege längst vorbei! Nein, mit den alten Götzen ist es nichts mehr. Wenn dieser Krieg einen Sinn haben soll, so muß etwas Neues, etwas Lebendiges aus ihm kommen.«
    Wieder schwieg Hackendahl.
    Aber der Leutnant sagte hartnäckig: »Ich sage: Es ist gut, daß Onkel Eduard gestorben ist. Und Sie können auch ohne jede Angst Urlaub nehmen und zu Ihrem Vater gehen. Menschenskind, Sie sind doch der Lebendige, und er ist schon lange tot!«
    »Ich weiß nicht«, sagte Otto Hackendahl leise, »ob der Herr Leutnant sich das ganz richtig vorstellen. Vor einem Vater und einer Mutter bleibt doch auch der erwachsenste Mann immer das Kind. Ich möchte doch auch, daß es anständig dabei zugeht, ohne Streit. Er ist doch mein Vater, und er kann auch nichts dafür …«
    »Sie haben eben doch Angst, Hackendahl«, sagte der Leutnant plötzlich verdrossen.
    »Natürlich habe ich Angst«, gab Hackendahl zu. »Darum gehe ich ja noch immer nicht in Urlaub.«
    »Sie grübeln zuviel, Mann«, rief der Leutnant. »Sie stellen sich das immer wieder vor, wie Sie in die Stube kommen zu Ihrem Vater, und dann sagen Sie so und so … Aber Sie wissen doch, Hackendahl, wenn man in Bereitschaft liegt vor einem Sturmangriff, dann stellt man sich hundert Ängsteund Scheußlichkeiten vor, und immer sieht man auf die Uhr und dann in den Nachthimmel, ob die Leuchtkugeln nicht steigen – und man hat auf deutsch gesagt eine Scheißangst. Wenn es dann aber soweit ist, dann nur mit Hurra raus aus dem Graben und vorwärts, und von all den eingebildeten Ängsten weiß man gar nichts!«
    »Es gibt aber auch Leute, die beim Sturmangriff schlappmachen, Herr Leutnant«, wendete Otto ein.
    »Aber Sie doch nicht!« rief der Leutnant ganz aufgeregt. »Sie sind doch kein Mensch, der schlappmacht. – Sie haben Lampenfieber, das haben Sie! Und ich werde Ihnen was sagen, Unteroffizier: Wenn wir heute hier heil aus diesem verfluchten Eiskeller kommen, werde ich Ihnen den dienstlichen Befehl geben, auf Urlaub zu fahren, verstanden?«
    Otto lächelte, aber er lächelte ganz zufrieden. Und als der Leutnant dieses Lächeln sah, war auch er zufrieden und sagte kein Wort mehr. Lange lagen sie still, sie froren sehr.
    Einmal sagte der Leutnant ein paarmal hintereinander: »Au verdammt! Au verdammt!« Und noch ein paarmal: »Au verdammt!«
    »Was ist denn verdammt, Herr Leutnant?«
    »Daß man nicht wenigstens rauchen kann!«
    »Ja, das ist wirklich verdammt! Aber der Wind steht zum französischen Graben hinüber, sie könnten es riechen!«
    »Und dann ein paar Handgranaten!«
    »Jawohl, Herr Leutnant.«
    Gegen vier wurde der Himmel klar, und nun wurde es noch schlimmer, denn jetzt kamen die Flieger. Es war wie immer in diesen Wochen, die Franzosen waren in der Überzahl. Sie beherrschten das Feld – niedrig strichen ihre Infanterieflieger über den Gräben hin, ließen die Maschinengewehre knattern oder gaben, höher gehend, ihrer

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