Der Eiserne König
kürzester Zeit gereift zu sein. Dann dachte er an Grete, seine Schwester, die in Rottland begraben lag, und hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Er stritt auch für sie. Nachdem er zu den Landmännern aus Flutwidde gestoßen war, die Helme und Harnische aus Blaubarts Rüstkammern trugen und dem Angriff gelassen entgegensahen, wurde er ruhiger. Und als er sich bückte, um eine Stiefelschnalle festzuzurren, saß da die Ameisenkönigin auf einem Schilfblatt.
»Wir sind gekommen, um es dir zu vergelten«, sprach sie.
Hans räusperte und bedankte sich. Dann sah er die Ameisen, die dem Feind entgegenwimmelten – es waren Abertausende der kleinen Wesen, und sie schienen keine Furcht zu kennen. Das machte ihm Mut.
In der Ferne donnerten Trommeln. Hörner ertönten, Gesang erschallte. Im nächsten Augenblick erschien die Streitmacht breit gefächert und tief gestaffelt auf dem Hügelkamm. Ein Reiter auf einem blutroten Ross ritt ihr voran.
Das war der Eiserne König.
Durch das Heer der Gografen ging ein Ruck.
»Zieht blank!«, brüllte Hilck von der Usse, der auf seinem Streitross durch die Reihen galoppierte. »Die Bogenschützen sollen sich bereithalten!«
Hans griff nach dem Flammenschwert, das er der Karontide abgenommen hatte.
Die Wilde Jagd wogte wie eine finstere Gewitterwolke hinter der Streitmacht auf.
Dann begannen die Katapulte zu feuern.
Maleen saß in der Mulde, dicht vor dem rätselhaften Trieb, die Eichhörnchendame im Schoß, die beiden Vögel auf den Schultern, und versuchte, sich in sich selbst zu versenken. Die kürzlichen Ereignisse hatten sie verwirrt, und es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, aber sie gab nicht auf. Sie wollte mit der grünen Kraft in Kontakt treten, um herauszufinden, was es mit dem Trieb auf sich hatte. Sie atmete tief aus und setzte sich gerade hin. Sie schob alles weg, was ihr durch den Kopf ging, und verdrängte die Bilder, die sie vor Augen hatte. Schließlich bekam sie eine Gänsehaut – das Prickeln, das die innere Stille ankündigte, lief über ihren Körper.
Sneewitt und Rumpenstünz galoppierten derweil durch die Ausläufer des Gretings nach Osten. Reineke Fuchs war fast so übel wie während der Fahrt auf dem Welsfluss. Er hing wie eine Pelzstola über dem Sattel, würgte und wünschte sich in seinen Bau zurück. Sneewitt hatte den Eschenpflock unter ihr Wams gesteckt, Rumpenstünz trug Horns Fellranzen und Hardts Knüppel bei sich. In Sichtweite der Hohen Heide wechselten sie die Pferde und ritten weiter. Der Tag war jung, aber bis zum Unkengrund war es noch weit.
Der Beschuss mit Steinkugeln und klafterlangen Pfeilen hörte schlagartig auf. Hans hob den Kopf, duckte sich aber wieder, weil die Wilde Jagd zum Angriff ansetzte. Sie schwappte wie eine Welle über die Streitmacht des Eisernen Königs und schoss breitgefächert auf das Heer zu. Hans sah sie über den schwelenden Unkengrund auf sich zurasen: Frauenfratzen, Kindergesichter und Greisenvisagen auf schwarzglänzenden, geflügelten Leibern. Ein Kreischen zerriss die Luft, und kurz darauf brach ein Sturm aus Klauen, Hauern und Zähnen über das Heer herein.
Die Krieger behielten die Nerven und verteidigten sich mit Spieß und Speer. Hans stieß einem Ungeheuer das Schwert in den Bauch. Grünes Blut sprühte, als es in das Schilf stürzte. Ringsumher fielen Männer. Wesen der Wilden Jagd schlugen im Todeskampf mit den Flügeln. Die an der Fusel postierten Bogenschützen jagten Pfeil um Pfeil in den Schwarm, der auf dem anderen Flussufer steil in die Höhe schoss, einen weiten Bogen beschrieb und zum Hügel zurückflutete.
Dort grollten Trommeln. Der Eiserne König wich zurück, die Streitmacht rückte vor. Ihre Reihen erstreckten sich links und rechts des Hügels, so weit das Auge reichte. Die gepanzerten Karontiden, die in der Mitte marschierten und zugleich die Angriffsspitze bildeten, schlugen mit der Waffe gegen den Schild. Hans erschauderte. Der Beschuss und der Angriff der Wilden Jagd waren nur Vorgeplänkel gewesen. Nun folgte der Kampf Mann gegen Mann. Sein Atem ging schneller, als er sah, wie man Tote und Verwundete durch die Reihen nach hinten zog. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen, zwang sich aber zur Ruhe und sah wieder zu den Karontiden, die mit Gebrüll vom Hügel stampften. Nichts schien sie aufhalten zu können.
Erst hatte man Grimms Helmzier ausgerissen und durch die Suppenkelle ersetzt, dann hatte man ihn in einen leeren, nach Lauch und Zwiebeln stinkenden Kessel
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