Der Eiserne König
schwieg.
»Dieser Untote hat es tatsächlich gewagt, zurückzukehren«, ereiferte sich Blaubart. »Werfen wir ihn den Karontiden vor.«
»Hmmm«, brummte der König und strich über den gekappten Bart. »Nein. Entwaffnet ihn, kettet seine Füße zusammen und lasst ihn vor der Schlacht Suppe austeilen.«
Barbera kicherte.
Blaubart zog ein verblüfftes Gesicht.
»Wollt ihr mich demütigen, Herr?«, rief Grimm. »Ich möchte für Euch kämpfen! Mit diesem Schwert!« Er griff danach, aber eine Karontide fiel ihm in den Arm und entwand ihm die Waffe.
Blaubart ohrfeigte ihn und spuckte ihn an. »Oh, ja«, zischte er. »Du wirst Suppe austeilen.« Er lachte laut. »Suppe!«
Grimm wischte die Spucke ab. Er knirschte mit den Zähnen. Karontiden ketteten seine Knöchel zusammen und stießen ihn aus dem Zelt. Als er sich noch einmal umblickte, sah er, wie Barbera den Kopf zum Eisernen König hob. Sie streckte ihre Zunge heraus, und er setzte behutsam eine Spinne darauf.
»Oooooh«, stöhnte sie verzückt.
»Raus mit dir, Bratröhrenfratze!«, brüllte Blaubart, dem die Szene nicht entgangen war.
»Ich dachte, er hätte sie
dir
versprochen«, stichelte Grimm.
Blaubart schlug ihn gegen den Hinterkopf. Als sie ins Freie traten, nahm die Streitmacht gerade Schlachtordnung an. Auf einem Wagen standen dampfende Kessel. Ein Küchengehilfe drückte Grimm eine Suppenkelle in die Hand. Dann liefen sie die Reihen der Krieger ab, und Grimm tat jedem Suppe in den Napf, wobei er Hohn und Spott über sich ergehen lassen musste. Er sah immer wieder aus den Augenwinkeln zum Zelt – er würde Barbera noch in die Finger bekommen. Nur Geduld. Den Maulwurf, der ihn von unten beäugte, den Kopf aber sofort wieder einzog, bemerkte er nicht. Niemandem fiel auf, dass alles dicht an dicht von Maulwurfshügeln bedeckt war. Nachdem die Krieger des Eisernen Königs ihre Suppe ausgelöffelt hatten, ertönte ein Hornsignal. Sie setzten den Helm auf.
Der Sturm würde bald losbrechen.
34. Zwicken und Zwacken
Grimm?«, fragte Hilck von der Usse. »Ich habe ihm nie ganz getraut. Aber er macht den Kohl auch nicht mehr fett.«
»Wenn ich ihm in der Schlacht begegne, wird er das bitter bereuen«, sagte Helmdag zornig.
Sie standen am Rand des Schilfgürtels, der die Fusel säumte. Vor ihnen lag die während der Nacht geschlagene Schneise, dahinter dehnte sich die abgebrannte Fläche. Sumpfteiche schimmerten im Morgenlicht, Rauch kräuselte sich zum Himmel. Die Eulen waren verschwunden, aber westlich des Hügels kreiste die Wilde Jagd, und ringsumher rotteten sich Raben und Krähen zusammen, um sich an den Kadavern der Erschlagenen zu mästen.
»Aasfresser, Ungeheuer und ein Feind, der eigentlich nur mit den Fingern schnippen müsste, um uns zu vernichten«, sagte Hilck. »Seit Hilmar von der Usse die Nachfolger des Eisernen Königs niederrang, musste kein Gograf eine solche Schlacht ausfechten.«
»Viel Feind, viel Ehr«, erwiderte ein Ritter.
»Die Ehre ist mir schnuppe«, grollte Helmdag. »Würde? Von mir aus. Stolz? Meinetwegen. Aber Ehre? Das Wort ist hohler als ein Totenschädel. Ich kämpfe nicht für meine Ehre, sondern für ein freies Pinafor.« Er wedelte mit der Hand und fügte hinzu: »Mücken! Ich dachte, die wären längst vor Kälte erstarrt.«
Hans merkte auf. Im nächsten Augenblick landete ein Insekt auf seiner Nase. »Da sind wir«, surrte der Mückenmeister. »Die Krähen bekommen das Fleisch, und wir bekommen das Blut. Wann sollen wir zustechen?«
»Sobald der Feind angreift«, antwortete Hans erfreut.
Hilck von der Usse drehte sich zu ihm um. »Mit wem sprichst du?«, fragte er.
»Mit unseren Verbündeten«, sagte Hans und zeigte auf seine Nase.
»Aha? Mit unseren Verbündeten?«, brummte der Gograf und reckte den Kopf nach dem Insekt.
»Klatscht mir ja keine Mücken ab«, sagte Helmdag. »Dieser Befehl gilt für das ganze Heer!«
»Jawohl, Herr«, murmelte der dienstälteste Ritter verdattert.
Da ertönte ein Hornsignal auf dem Hügel. Ein Klirren hallte über den Unkengrund. Dann ein Stampfen.
»Sie kommen«, rief Hilck von der Usse. »Alle Mann auf ihre Posten!«
Hans schlug das Herz bis zum Hals, als er zu seiner Stellung rannte. Seine Gedanken flogen zurück zu dem Tag, als die von Grimm befehligte Räuberbande das Mädchen mit den grünen Augen und der Karte auf dem Rücken aufgegriffen hatte: Maleen. Damals war er ein junger Lump gewesen, jetzt kämpfte er gegen den Eisernen König. Er hatte das Gefühl, in
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