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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Leidens.
     
    Die Gefährten starrten auf das schwarze Wasser, aus dem ein schmales, bleiches Geschöpf mit rötlichen Kiemenbüscheln auftauchte. Es hatte keine Augen, wandte den Gefährten aber den Kopf zu.
    »Das ist ein Grottenolm«, flüsterte Horn.
    »Ich bin der Olm des heiligen Weihers der Esche«, sprach das Geschöpf mit tonloser Stimme. »Oder besser: Des entweihten Weihers. Und der geschändeten Esche. Ich habe den blinden Feen gedient.«
    »Ist es noch weit bis zur Esche?«, fragte der Fuchs.
    »Ich kenne nur den Weg durch die unterirdischen Gewässer«, antwortete der Olm. »Und dafür brauche ich ziemlich genau siebenhundertfünfundachtzig Schwanzflossenschläge.«
    »Wie viel ist das in den Sprüngen eines brunftigen Hirsches?«, fragte der Fuchs.
    »Sei still«, knurrte Meister Grimbart. »Wir können weder so lange schwimmen noch tauchen. Wir müssen zu Fuß und Pfote weiter, du Held.«
    »Was ist mit den Feen geschehen?«, mischte sich Hans ein.
    »Sie haben sie in Ketten gelegt und ihre Münder zugenäht«, klagte der Olm. »Sie siechen dahin. Wie die Esche.«
    »Wer sind ›sie‹?«, fragte Sneewitt.
    »Eisenhans und die blutsaufende Jungfer. Und diese … « Der Olm tauchte kurz unter. Als er den Kopf wieder aus dem Wasser hob, hauchte er: »Diese … grauenhaften Karontiden.«
    »Hm«, brummte Kunz skeptisch.
    »Worauf haben wir uns da eingelassen?«, murmelte Hardt.
    »Ich für meinen Teil wurde zwangsrekrutiert, um die Welt zu retten«, erwiderte der Dachs.
    »Oha«, erwiderte Sneewitt und hob eine Augenbraue. »Ich denke, wir müssen zunächst unsere eigene Haut retten.«
    »Die Welse kehren zurück«, sagte der Olm. Er sprach immer schneller. »Sie spüren, dass die Esche leidet. Sie haben den weiten Weg von der Hohen See bis Pinafor zurückgelegt, weil sie nicht tatenlos zusehen wollen, wie der Eiserne König erwacht und alles Böse in den Geschöpfen weckt. Ihr müsst mit ihnen sprechen. Sie besitzen große Kräfte.«
    »Der Eiserne König ist tot«, sagte Kunz. »Er tut keiner Fliege mehr etwas zuleide.«
    »Er wird wiederkehren!«, rief der Grottenolm. »Ihr müsst die Gografen zu Hilfe holen.«
    »Die Esche retten, mit Welsen reden, die Gografen zu Hilfe holen«, murrte Horn. »Sonst noch was?«
    Der Olm wedelte wild mit den Kiemenbüscheln. »Fast alle anderen Menschen sind trunken vom Gold. Das ist schon der Einfluss des Eisernen Königs. Wisst ihr denn nicht, zu was er imstande ist?«
    »Tja, weißt du …«, antwortete Reineke Fuchs. »Ich bin ihm noch nie persönlich begegnet.«
    »Ihr werdet sie an ihren Barteln erkennen«, sprach der Olm.
    »Wen?«, fragte Horn irritiert.
    »Die Welse, du Narr!«, rief der Diener der blinden Feen, der mit seiner Geduld am Ende war. »Lebt wohl.« Er tauchte im Teich unter.
    Die Gefährten standen betreten da. Schließlich fragte Hans die zwei Tiere: »Könnt ihr die Kultknechte hören?«
    Reineke Fuchs drehte die Ohren hin und her. »Nein«, sagte er nach einer Weile.
    »Wir haben sie abgehängt«, stieß Sanne erleichtert hervor.
    »Wohl kaum«, erwiderte Hardt. »Sie lauern uns sicher auf.«
     
    Hardt hatte recht, denn die Kultknechte, die zur Höhle der Hallenden Tropfen vorausgeeilt waren, waren bestens über die Bewegungen der Gefährten im Bilde. Der Oberknecht, dessen rechter Schulter ein Krummsäbel mit gezackter Klinge entspross, wies seinen Männern Stellungen zu. Sobald alle postiert waren, warteten sie schweigend.
    Die Kultknechte waren den dreizehn weisen Weibern treu ergeben. Sie halfen bei allen Ritualen, kümmerten sich um das Haus und setzten Leib und Leben für ihre Herrinnen ein. Alle waren von den Weibern großgezogen worden. Mit zwölf Jahren mussten sie ein grausames Ritual über sich ergehen lassen: Man flocht ihnen Lederriemen durch die Brust und hängte sie an Gestellen auf; während einige Weiber Beschwörungen sangen und Kräuter verbrannten, deren Rauch eine berauschende Wirkung hatte, geißelten andere die Jungen mit Ruten. Dies geschah im Freien bei klirrender Kälte. Nach der Geißelung ließ man die Jungen einen Tag draußen. Sobald sie, meist halb erfroren, abgehängt worden waren, trennte man ihnen den rechten Arm ab und ersetzte diesen durch eine Klinge. Die Klinge erhielt einen Namen, der auch der neue Name des jeweiligen Jungen war. So verschmolzen Klinge, Körper und Seele miteinander. Es folgte eine dreijährige Unterweisung in den Kampfkünsten. Mit fünfzehn schworen die jungen Knechte den dreizehn

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