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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Luft, gleichzeitig erreichten die Proasmae Drogon und seine Freunde und begannen durch sie hindurchzuschwimmen. Der Lichtgolem schritt bedächtig voran. Was versuchte die Miliz herbeizurufen?
    Ein feiner Silberregen schien vom Himmel zu nieseln, ein schmaler Streifen, kaum mehr als ein Hauch. Er fiel in den Mechanismus, den sie umstanden. Das Licht kam vom Mond her, dem Tagesmond, nur eine Ahnung am sonnenhellen Himmel. Aus seinem bleichen Rund ergoss der Mondschein sich in die Maschine, und am Ende des gähnenden Rohrs schien eine Öffnung zu entstehen. In dem dunklen Schlund bewegte sich ein Schimmern. Cutter bemühte sich, etwas zu erkennen.
    Er brauchte lange, um daraus klug zu werden. Der größte Teil seiner Aufmerksamkeit war davon beansprucht, den Lichtgolem durch das nach wie vor andauernde Bombardement zu manövrieren, durch das Tohuwabohu, das die aus ihren Stellungen vorrückenden Dirimisten zurückgelassen hatten. Sie nutzten die Gunst der Stunde – die Yags waren fort, die Proasmae mit den Langreitern beschäftigt, und die Miliz hatte die Kontrolle über ihre Luftgeister verloren, die über dem schwer gepanzerten Zug schwärmend ihren grausamen Schabernack trieben, Schäden anrichteten und Leben forderten, aber nicht in dem Ausmaß, als wenn ihre Zuchtmeister sie angetrieben hätten. Cutter sah in der Öffnung etwas, dessen Parameter sich ständig veränderten, das sich jeder Taxonomie entzog. Er konnte es nicht einordnen.
    Das Etwas wechselte seine Gestalt mit jedem Lidschlag. Ein Fischskelett, durch die Rippenhalme bebte ein Wellenschlag entlang eines Körpers wie aufgefädelte Wirbel oder ein Stück grob gedrehtes Tau. Dann hatte es etwas von einem Bären und etwas von einer Ratte, und es hatte Hörner und Masse, und es leuchtete, als wären Gekröse und Haut, die Knochen aus Phosphor. Als wäre es vollkommen aus kaltem und schimmerndem Stein gemacht. Ein Leuchtkäfer, eine Totenmaske, ein hölzerner Schädel.
    Ein Fegkarion. Ein Mondgeist.
    Cutter hatte von ihnen gehört, natürlich, doch er konnte nicht glauben, dass diese Kreatur der Mondgeist war, von dem Mythen und Märchen erzählten. Sie sah aus wie das belebte Skelett eines unbeschreiblichen Insekts aus der Dimension der Albträume, einmal sichtbar, dann nicht, dann wieder – eine Suggestion oder eine Falte im Raumgefüge? O Götter, o Jabber.
    »Shanks – den Golem zu diesem Ding da.«
    Aber der Golem ging nicht schneller. Er stapfte mit abgemessenen Schritten durch die Reihen der Miliz, nahm sich Zeit, jeden, an dem er vorbeikam, zu berühren, bedeckte ihre Köpfe mit seinen Händen und füllte sie mit Licht, sodass sie leuchteten. Licht sprengte ihre Helme, strahlte grell und meterweit aus ihren Ohren, dem Anus, dem Penis, durch ihre Kleider. Sie waren Sterne – und verglüht, wenn der Golem sie fallen ließ.
    Der Fegkarion gebar sich aus dem Nichts. »Schneller«, ächzte Cutter.
    Die Elementaristen wichen zurück, bildeten einen schützenden Ring um die Mondbeschwörer. Sie schwangen die Peitschen jetzt gegen den Golem, jeder Hieb hinterließ Striemen in seiner Substanz, Lichttropfen flogen wie Blut. Jeder Hieb traf auch Cutter und Thick Shanks, schleuderte ihnen den Kopf in den Nacken. Sie bluteten ebenfalls. Unbeirrt lenkten sie den Golem dorthin, wo der Mondgeist in die Wirklichkeit kroch.
    Die Proasmae waren vergessen. Der letzte von ihnen brauste durch zwei weitere Langreiter, dann verließ er den Ort der Völlerei und wuchtete seinen ungeschlachten Leib aus Knochen und Eingeweiden hinter den Genossen her, die bereits weit voraus durch die Steppe trollten. Man sah Drogon wieder und wieder einen Flüsterbefehl aussenden, aber durch irgendeine Thaumaturgie geschützt, gehorchte die Miliz ihm nicht mehr. Ihre Peitschen züngelten nach ihm, züngelten nach dem Golem.
    »Komm schon, komm schon.«
    Des Golems Beine aus Licht stampften durch die Leiber der Männer, die ihn attackierten, und das Leuchten sprengte sie entzwei. Der Mondgeist war ganz nah, wand die frostige, grau glühende Manifestation seines Selbst aus der für ihn geschaffenen Öffnung, und Cutter sah, er war riesig, er war ungeheuerlich. Cutter streckte den Arm aus, und ihn nachahmend, streckte der Golem den Arm aus, um die lunare Kanone zu verschließen. Er zwängte sich in die Öffnung, strömte durch die Materie des Elementargeists hindurch in den Motor des Apparatus. Dort kämpften Golem und Elementargeist, und gleißendes Licht – kalt, heiß, grau und

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