Der eiserne Thron
Bevölkerung hatte applaudiert und begeistert seinen Namen
gerufen, wann immer Dram danach in der Öffentlichkeit aufgetreten war. Er war der Held der Stunde. Die Menschen
konnten nichts mit Terroristen anfangen, ganz besonders dann
nicht, wenn die Terroristen nicht einmal richtige Menschen
waren. Sie hatten Dram zum Obersten Krieger gewählt, und
die Imperatorin nahm ihn für ihre eigenen Zwecke in Beschlag.
Die Pläne und Möglichkeiten der Elfen waren mit einem
Schlag um Jahrzehnte zurückgeworfen worden, und selbst
heute, zwölf Monate später, waren sie immer noch dabei, ihre
Kräfte neu zu sammeln. Alle warteten mit angehaltenem
Atem darauf, daß die Herrscherin ihren Hund erneut auf sie
hetzen würde. Dram lieferte Resultate, jeder wußte das. Was
hingegen kaum jemand wußte, war seine Bereitschaft, die
eigenen Leute zu opfern, wenn es zur Erfüllung seiner Aufgabe nötig war. Ein Mann konnte eine rasche Karriere machen,
wenn er unter Dram diente – und lange genug am Leben
blieb. Was der zweite Grund war, aus dem Dram den Spitznamen Witwenmacher trug. Obwohl niemand ihn in seiner
Gegenwart so nannte. Der Hohe Lord Dram hatte allein im
letzten Jahr siebzehn Duelle ausgefochten, wegen alles möglichen, von offener Beleidigung bis hin zu einer erhobenen Augenbraue zur falschen Zeit, und es hatte nie auch nur einen
einzigen Augenblick lang so ausgesehen, als könne er eines
dieser Duelle verlieren. Was die Leute jedoch nicht davon
abhielt, weiterhin zu versuchen, ihm den Garaus zu machen.
Die Versammlung der Lords haßte ihn wie die Pest, und der
Adel schien bereit, jede Summe zu bezahlen, wenn es um
Drams Tod ging.
Die Preise für Informationen, die den Hohen Lord kompromittieren konnten, stiegen in schwindelerregende Höhen, allerdings beinahe ohne praktische Auswirkungen. Dram besaß
keinerlei offensichtliche Laster und noch viel weniger Schwächen. Die Gelüste und Ausschweifungen am Hof schienen ihn
vollkommen kalt zu lassen. Er besaß keine Freunde, und seine
Feinde waren tot. Seine Stimme sprach im Namen der Herrscherin, und seine Worte waren Gesetz. Männer, Frauen und
Kinder wurden offen in seinem Namen getötet, wegen Verrats
und kleinerer Vergehen, um andere zu entmutigen. Sein letztes bekanntes Opfer war der letzte Lord Todtsteltzer gewesen.
Sein Tod hatte die Intrigen der Lords für beinahe eine Woche
zum Erliegen gebracht.
»Zurück zum Geschäft«, sagte die Imperatorin, und jedermann lauschte ihren Worten. »Wir werden jetzt die Berichte
unserer Agenten entgegennehmen.«
Auf der dem Hohen Lord Dram entgegengesetzten Seite des
Throns erschien ein zweiter Mann. Wie der Oberste Krieger
hatte er bereits die ganze Zeit über hinter einem tarnenden
Hologramm auf sein Stichwort gewartet. Löwenstein besaß
eine Vorliebe für dramatische Auftritte. Der Neuankömmling
trug das silberne Abzeichen der persönlichen Esper ihrer Majestät auf der Stirn und war in bleiche, unauffällige Gewänder
gekleidet. Wie die Dienerinnen besaß auch der Esper keinen
eigenen Willen und kein Bewußtsein mehr. Die Geheimagenten und Spione des Imperiums stellten mit Hilfe der Kräfte
des Espers telepathischen Kontakt zum Hof her, und der
Esper wiederholte ihre Berichte wortgetreu. Die Agenten
blieben anonym, und ihre Sicherheit blieb gewährleistet. Der
Gesichtsausdruck des Espers änderte sich unvermittelt, als
eine fremde Persönlichkeit eindrang. Seine ganze Körperhaltung schien sich zu entspannen, als er zu sprechen begann.
»Also gut. Passen Sie auf, weil ich mich nicht wiederholen
werde. Ich bin in das Zentrum der Kyberrattenbewegung eingedrungen, so weit, so gut. Ich habe keinerlei Formen von
Organisation entdecken können. Sie sind nur eine Bande von
Verlierern und Einzelgängern, die sich in die Rechnermatrix
hacken, wo immer sich eine Gelegenheit oder ein Zugang
bietet, und sich dort so lange amüsieren, wie sie nur können,
bevor man sie schnappt.
Ihre politischen Ideen sind töricht, ihre Persönlichkeiten
sind unterentwickelt, aber die Gefahr, die sie darstellen, ist
unglücklicherweise sehr real und weit außerhalb jeder Proportion, wenn man ihre geringe Zahl betrachtet. Sie kennen sich
besser mit Lektronengehirnen aus als die Leute, die sie bauen.
Wenn wir die Bande ausradieren, werden andere ihren Platz
einnehmen, bevor wir auch nur blinzeln können. Mir erscheint
es sinnvoller, wenn wir die im Auge behalten, die wir bereits
kennen; zumindest wissen wir
Weitere Kostenlose Bücher