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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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schwamm er so langsam und gemächlich dahin, als würde er schlafen. Nur alle Minute hob und senkte sich knapp unterhalb der Wasseroberfläche einmal die Fluke und hielt damit das Tempo des Tieres bei. Ohne sich beeilen zu müssen, schoss Hurley eine Fotoserie. Mit dem ihm zugewandten Auge schien der Wal ihn zu beobachten. Er war fast so lang wie das Schiff. Ein Drittel nahm der kantige Kopf ein, auf dem Kämpfe mit Tintenfischen oder Killerwalen tiefe, glänzende Narben hinterlassen hatten.
    Ein paarmal gelang es dem Mann am Steuer, dem zweifellos schon greisen Riesen einen Schubs mit dem Vordersteven zu versetzen. Worauf der Wal eher müde als aufgeschreckt wirkend in die Tiefe verschwand. Die Fluke hob sich aus der See, und von den beiden stumpfschwarzen Flossensicheln prasselte in zwei dichten Vorhängen das Wasser nieder. Bei jedem Bugstoß jubelten die Männer auf der Schussplattform.
    Die Blauwalschule tauchte auf, als sie am frühen Abend, etwa in Höhe der Hound Bay, bereits auf dem Rückweg waren. Am nördlichen Horizont, in knapp acht Kilometer Entfernung, stieg eine ganze Anzahl hoher silberner Dampfsäulen aus dem Wasser: »Blauwale beim Äsen«, sagte Larsen. »Wir haben Glück.« Als sich das Schiff den Walen bis auf drei Kilometer genähert hatte, hörte Hurley das Geräusch ihres Blasens. Es klang wie das Zischen einer ganzen Reihe von Dampfdruckventilen.
    Im weiten Umkreis schimmerte das Meer rosa von Krillschwärmen, Mahlzeit für eine aus mehr als zehn verschieden großen Tieren bestehende Schule. Die Wale schwammen einzeln oder in Formation, schöpften mit weit aufgesperrtem Maul und vom Oberkiefer herabhängenden Barten die Krebssuppe und pressten das gefilterte Wasser unter Schnauben zurück ins Meer. Kurz bevor die STAR   X in Schussnähe war, witterten die Wale die Gefahr, sie tauchten.
    Eine ölig glitzernde Spur aus Strudeln verriet den Walfängern ihre Route. Ars Larsen betrat die Schussplattform und verfolgte die auf der See davoneilende Wirbellinie. Bis vorm Bug eine Dampfsäule aufschoss, gefolgt von der schnell anwachsenden, dunklen Masse des Wals. Larsen richtete die Kanone aus und feuerte sie krachend ab. Durch Rauch und Dunst sauste die Harpunenleine in einen Strudel aus blutgetränktem Schaum, aus dem kurz darauf der dumpfe Schlag zu hören war, mit dem im Innern des getroffenen Tieres der Sprengsatz detonierte. »Hurra!«, riefen die Männer, und Hurley rief mit. Für Minuten war er wie im Rausch und vergaß alles Fotografieren.
    Der Wal begann das Schiff davonzuziehen. Er schleppte die STAR   X südwärts, in die Richtung, in der seine Schule verschwunden war. Noch immer machte er gute acht Knoten Fahrt. Larsen feuerte einen zweiten Sprengsatz in ihn hinein. Die Männer schätzten seine Länge auf 26 Meter. Der Wal wurde langsamer, und eine Stunde später stieg er an die Oberfläche und stieß blutigen Nebel aus dem Blasloch. Er regte sich nicht mehr. Kurz bevor er in die Tiefe sank, schloss sich sein Auge. Hurley, der jedes Stadium der Agonie mit der Kamera festhielt, kam es wie das Auge des erlegten Riesen vor, von dem es im Märchen hieß, er habe mit den Lidern Kokosnüsse knacken können.
    Mithilfe einer Hohlharpune wurde Luft durch den Walspeck in die Körperhöhle gepumpt. Der Kadaver schwoll an und kam an die Oberfläche zurück. Die Norweger vertäuten ihn am Schiffsrumpf, und zwei jüngere Langbärte zogen Nagelstiefel an, stiegen auf den Wal und hieben ihm die wertlose Fluke ab.
    Es war dunkel und es schneite, als sie durch die Cumberland-Bucht tuckerten und an der Zerlegeplattform festmachten. Dort wurde der Wal zu Wasser gelassen und vertäut. Sie fuhren zum Anleger.
    Er nahm seine Ausrüstung von Bord, verabschiedete sich von Larsen und seiner Crew und ging zum Spritzenhaus hinüber. Die meisten von unseren Männern schliefen bereits, und als Frank Wild ihm sagte, dass wieder Hunde ausgebrochen waren und was sie angerichtet hatten, entschloss sich Hurley, Crean und die anderen erst gar nicht zu stören, sondern sich am Hafen ein Boot zu suchen und sofort zur ENDURANCE zu rudern. Er ließ die Kameras im Spritzenhaus und machte sich mit einer Sturmlampe auf den Weg.
    Um den Kopf freizubekommen, ging er am Wasser entlang. Als er zum Flensplatz kam, bot sich ihm ein abscheulicher Anblick. Zersägte und klein geschnittene Teile

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