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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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seltener um Pastor Gunvalds Andeutungen von dem gewaltigen Krieg, der in Europa tobt, und auch ihre Enttäuschung über das ausgebliebene Postschiff vergessen die Männer langsam. Mit Erreichen des offenen Meers rücken eine Zeit lang wieder die vorhergesagten Eisverhältnisse in den Mittelpunkt des Interesses, aber weil sich das Schiff als unerwartet gut getrimmt erweist und wir auf einer ebenso unerwartet friedlichen See zwischen dem 55. und 56. Breitengrad schnelle Fahrt machen, mit keinem Eis in Sicht, nicht der kleinsten Scholle, kehrt Ruhe ein und vertieft sich allmählich ein jeder so in seine Arbeit wie ich mich in Cooks Logbücher der Reisen von 1768 bis 1779. Auf halbem Weg zwischen dem Kap der Enttäuschung und der Sawodowskij-Insel, der nördlichsten der Südsandwich-Kette, an einem diesigen Morgen, an dem sich die Trennlinie zwischen Himmel und Meer in weißem Nebel nur ahnen lässt, ist keiner der Vögel, die uns seit Südgeorgien gefolgt waren und sich auf unsere Rahen setzten, wenn sie ausruhen wollten, mehr da. Das Verschwinden seiner Vögel kommt mir wie der endgültige Abschied von Südgeorgien vor, und meine Wehmut an diesem Morgen wird noch stärker und treibt mir schließlich die Tränen in die Augen, als ich sie bei Cook wiederfinde: »Ländereien, die die Natur zu ewiger Kälte verdammt, die nie wärmende Sonnenstrahlen spüren und deren fürchterlichen und wilden Anblick ich nicht mit Worten beschreiben kann; solcherart sind die Länder, die wir entdeckten. Wie mögen dann aber jene aussehen, die weiter im Süden liegen? Wer immer die Entschlossenheit und die Ausdauer besitzt, diesen Punkt dadurch aufzuklären, dass er weiter fährt, als ich es getan habe, dem will ich die Ehre der Entdeckung nicht neiden, sondern vielmehr die Kühnheit haben zu sagen, dass die Menschheit daraus keinen Nutzen ziehen wird.«
    Vielleicht hat die Menschheit, abgesehen davon, dass sie Millionen von Robben, See-Elefanten und Walen hat töten können, um wertvolle Felle, Fette, Öle und Knochen weiterzuverarbeiten, bislang keinen Nutzen aus der Erforschung der Antarktis gezogen. Ein ganzes Jahrhundert verdient seinem Fortschritt dem Blubber, der Fettschicht der in den Eismeeren geschlachteten Tiere, mit dessen Öl Maschinen auf der ganzen Welt geschmiert wurden und auch die Straßenlaternen von Wales und die drei von Pillgwenlly nachts schön hell brannten, damit mein Vater meine Mutter sicher nach Haus geleiten konnte, um im Schein einer Kerze aus Waltalg mich zu zeugen. Cook hat es kommen sehen: Männer, die weiter nach Süden fuhren als er, Entdecker, denen es nicht um Profit oder Fortschritt ging, haben es sehr wohl verstanden, dem ewigen Eis einen Nutzen abzuringen. Zum Beispiel Shackleton. Seine Expedition mit der NIMROD hat ihm Ruhm und Ansehen eingebracht, so dass er sogar geadelt wurde. Sein Lehrmeister Scott muss das wie einen Hieb ins Gesicht empfunden haben. Wurde doch nicht einmal Cook zum Ritter geschlagen.
    Hätte unser Sir wirklich vor, nach Lehrermanier meine Lektüre zu überprüfen, so könnte ich etwa die Mangelerscheinungen herunterbeten, unter denen Cooks Männer litten, als an Bord der RESOLUTION der Skorbut umging: »Fauliges Zahnfleisch, blaugraue Flecken, Hautausschläge, Atemnot, zusammengezogene Gliedmaßen, trüber grünlicher Schleim im Urin, Sir!«
    Doktor McIlroy hat seinen Spaß, als ich ihm die Stelle in Cooks Aufzeichnungen vorlese.
    Â»Tja, da helfen auch Karottenmarmelade und Sauerkraut nicht mehr.«
    Während sein Kollege Mack die ruhigen Tage auf See dazu nutzt, seine Hunde zu trainieren, ist Mick einer der wenigen, die nichts zu tun haben und mehr schlecht als recht ihre Langeweile verbergen. Er ist der Erste, bei dem Greens Vorhersage eintrifft: Kurz nach Verputzen einer Mahlzeit fängt er an, nach der nächsten zu fragen. Wir lungern also beide in Küchennähe herum, es ist bloß schade, dass man sich mit McIlroy nicht wirklich unterhalten kann. Denn was er beispielsweise über den Krieg denkt, ob England oder Wales zum Schlachtfeld werden könnten, oder für wie wahrscheinlich er es hält, dass es zu einem Luftkrieg kommen wird, das behält Mick für sich, er macht lieber einen lustigen Spruch: Es sei durchaus wahrscheinlich, dass das britische Rotkehlchen der deutschen Amsel ordentlich den Marsch blase. Insofern, ja, nach seiner Meinung

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