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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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ins Eis drischt, nur damit der wieder zufrieren kann. – Ob wir das Schiff werden halten können, weiß ich nicht. Ich glaube es nicht, aber ich bin mir sicher, dass jeder von uns sein Bestes gibt, um es zu versuchen. Ich will, dass wir uns unabhängig von Erfolg oder Scheitern in einem Punkt einig sind: Wir wollen heimkehren. Wir wollen in unser Leben zurückfahren. Damit diese Glücklosigkeit ein Ende hat. Sagt mir, Leute, ob wir darin einer Meinung sind. Jeder andere Vorschlag ist mir willkommen.«
    Drei Tage nach Shackletons Ansprache auf dem Vorderdeck reißen schwere Eismassen, die sich knirschend am Heck entlangwälzen, Teile des Achterstevens aus seiner Verplankung. Steuerbord strömen Wasser und Eistrümmer ins Schiff und fluten den Kesselraum und die meisten Ladegatten. Alle verfügbaren Männer werden an die Bilgepumpen beordert, doch können nichts ausrichten: Leitungen und Ansaugöffnungen sind zugefroren. Worsleys Versuch, sich gemeinsam mit Hudson und Greenstreet hinunter in den Kielraum durchzuschlagen, scheitert vor einem unüberwindbaren Bollwerk aus Kohle, die aus den Bunkern gebrochen ist und sich über das dort lagernde Blubber von 60 Robben ergossen hat. McNeish, Vincent und andere errichten drei Meter vor dem Achtersteven einen Kofferdamm, um das restliche Schiff vor dem eindringenden Wasser abzuschirmen. Hurley versammelt einen Trupp, der vor dem Bug Spalte ins Eis sägt, um den Druck vom Rumpf zu nehmen. Wir übrigen pumpen. 15 Minuten Pumpen, 15 Minuten Pause, zwölf Stunden lang, unterbrochen nur von einer Stunde Pause, in der uns Green unter dem haferschleimgrauen Himmel mit Porridge und Tee versorgt. Als wir weitermachen, gibt Shackleton Order, Hunde, Schlitten und zwei der drei Beiboote vorzubereiten für den Fall, dass wir das Schiff fluchtartig verlassen müssen.
    Aber es dauert noch zehn weitere Stunden, bis es so weit ist. Wir pumpen. Als das Eis das Ruder vom Heck reißt, sagt McNeish: »Das macht nichts. Ich bau ein neues.« Das Eis schließt den Kofferdamm ein, zerdrückt ihn und presst die Trümmer durch die wimmernden Mittelgänge. McNeish nimmt einen neuen in Angriff. Wir pumpen. Riesige Druckgrate türmen sich backbord auf. Wenn sie gegen den durchgeschüttelten Rumpf rollen und sich festklammern an der Ausbauchung des Schanzkleids, gibt die ENDURANCE tierartige Laute von sich, ihr Holz heult und jault, ehe wieder ein Deck nachgibt und seine Balken bersten. Als das Heck aus dem Eis steigt und sich Stück für Stück aufrichtet, bis es schließlich sieben Meter über der Scholle steht, und als der gefrierende Eisbrei die Bordwände hinaufkriecht und beginnt, sich über die Decks zu wälzen, hört man Vincent und McNeish noch immer an dem zweiten Kofferdamm hämmern. McNeish brüllt: »So könnte es hinhauen!« Wild holt die beiden von Bord. How und Bakewell findet er an den Pumpen. Hunde, Schlitten, Boote und alle Ausrüstungsgegenstände von Wert sind steuerbord auf eine große Scholle verbracht, die sicher erscheint. Shackleton und Wild nicken sich zu. Dann verlassen auch sie das zitternde Wrack.

8
Ein Berg aus Habseligkeiten
    W as schuld ist an der Zerstörung unseres Schiffes, steht schon seit langem fest. Abergläubisch, wie man nun mal auf hoher See wird, war uns allen aufgefallen, dass die heftigsten Eispressungen stets dann einsetzten, wenn einer, sei es aus langer Weile oder um festzustellen, ob es noch lief, Orde-Lees’ Grammophon anstellte. Ich habe es selbst erlebt, als Jock Wordie mir erzählte, er habe eine Aufnahme von Liedern aus Purcells Oper über König Artus in seinem Überseekoffer. Kaum dass wir die Platte anspielten, begann eine so fürchterliche Pressung, dass es Wordie und ich stillschweigend nur als gerecht empfanden, als ihr neben vielen anderen Sachen auch die Purcell-Aufnahme, die völlig zerkratzt wurde, zum Opfer fiel. Weil aber keiner sich traute, laut zu sagen, was alle dachten und einander zuflüsterten, blieb das Eisgrammophon stehen, wo es war. Dort im Ritz wurde es zwar nicht länger benutzt, doch es übte auch schweigend seine Macht aus. Rollte eine Pressung heran, fragte irgendwann ganz bestimmt einer, ob etwa unter Deck Musik gehört wurde.
    Worsley macht diesem Spuk ein Ende. Als trauriger Kapitän ist er der Letzte, der vom Wrack seines untergehenden Schiffes wegtritt und einen der Schlitten

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