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Der Eisplanet

Der Eisplanet

Titel: Der Eisplanet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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erwidern, aber sie veranlaßte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Nein, bitte hören Sie mich an ... Sie wissen, daß wir – vor allem Dr. de Skun – für das Projekt schwere Arbeit leisten mußten. Sie wissen nicht, daß das Projekt Gegenstand einer Kontroverse ist. Nun, da wir die technische und physikalische Seite des Projekts als möglich bewiesen haben, hängt alles von Ihrem weiteren Auftreten ab. Es gibt Leute auf Minerva, die es für widernatürlich und unmoralisch halten, das Leben über die natürlichen Grenzen hinaus zu verlängern. Seltsames Benehmen Ihrerseits würde diese Leute in die Lage versetzen, zu behaupten, Sie seien durch die Hirntransplantation um den Verstand gekommen. Auf diese Weise könnten sie das Projekt blockieren.«
    Idris lachte. »Ich begreife das Problem nicht ganz. Akzeptieren diese Puristen trotz Krebs und Blinddarmentzündungen auch die Chirurgie nicht?«
    »So einfach ist es nicht. Sie akzeptieren alle Methoden und Techniken, die aus der Zeit vor dem von Talbot geführten Exodus herrühren. Alle späteren Entwicklungen und Errungenschaften betrachtet die TT-Partei mit Argwohn.«
    »Was bedeutet TT?«
    »Treu zu Talbot ... Diese Leute glauben, daß unser Leben auf Minerva eine Buße für die Sünden der Menschheit ist. Unter den nicht wissenschaftlich orientierten Schichten unserer Gemeinschaft genießen sie große Unterstützung. Die Problematik wird durch die Tatsache verschärft, daß die durchschnittliche Lebenserwartung anhaltend sinkt.«
    »Also sollte jeder Minervier über die Möglichkeit der Hirntransplantation erfreut sein.«
    »Die TT-Partei ist es nicht.« Zylonia schüttelte den Kopf. »Sie hält die Lebensverkürzung für eine Form der Strafe. Dagegen glaubt man, daß die Unsterblichkeit ganz von selbst käme, wenn man den ›richtigen‹ Weg geht.«
    Idris war sehr erheitert. »Fünftausend Jahre sind verstrichen, und die Menschen müssen sich noch immer mit Dummköpfen plagen ... Darf ich Ihr Leben – zumindest vorübergehend – mit Ihnen teilen, Zylonia? Ich möchte nicht zurück in diese hübsche Nachbildung meiner Kapitänskabine.«
    »Sie dürfen – eine Zeitlang. Aber ich muß über Ihr Verhalten Bericht erstatten.«
    »Versteht sich ... Werden wir auch sexuellen Kontaktpflegen?«
    »Ist das wichtig für Sie?«
    »Ich denke schon.«
    Sie lächelte verhalten. »Dann erhebe ich im Interesse der Wissenschaft keine Einwände.«
    »Können wir es jetzt tun?«
    »Waren Sie schon immer so direkt?«
    »Niemals. Ein völlig neuer Zug an mir.«
    »Gut, Idris. Sie wissen, daß wir bereits ein intellektuelles Liebesverhältnis eingegangen sind. Vielleicht hat es eine günstige therapeutische Wirkung, wenn wir es physisch besiegeln.«
    »Sehr günstig«, versicherte er. »Welcher Knopf holt das Bett aus der Wand?«
    Sie zeigte es ihm. Als er sich wieder nach ihr umdrehte, war sie bereits nackt.
    »So mag ich es.«
    »Ich glaube, ich werde es auch mögen«, sagte sie. »Doch nachher, war es nun gut oder schlecht, müssen Sie mir einen Gefallen tun.«
    »Welchen?«
    »Ein Buch lesen. Talbots Bekenntnisse. Versprechen Sie es?«
    »Ja.« Er nahm sie in seine Arme und küßte sie. Es war ein wundervolles Gefühl. Sie war eine Frau, auf die fünftausend Jahre lang zu warten sich lohnte.
     
    Talbots Bekenntnisse war ein seltsames, leidenschaftliches Buch, das ein seltsamer, leidenschaftlicher Mann dreitausend Jahre zuvor geschrieben hatte. Garfield Talbot war ein Mann der Extreme gewesen, ein Pazifist, der jedoch nicht gezögert hatte, einen Kapitän, der die Teilnahme an Minervas Besiedlung verweigerte, mit seinem Raumschiff zu vernichten. Religiöser Fanatiker und Sozialutopist zugleich, hatte er die Wissenschaft gehaßt, die unentbehrlich war, die Absicht der Besiedlung zu verwirklichen.
    Man hatte ihn zum ersten Präsidenten des Rates der fünf Städte gewählt. Er hatte die Empfehlungen der Ratsmitglieder beachtet, die endgültigen Entscheidungen jedoch allein getroffen. Insofern war er ein großzügiger Despot gewesen. Man hatte ihn gefürchtet und sich zugleich seiner faszinierenden Persönlichkeit nicht entziehen können. Auf jeden Fall war er niemals korrupt geworden. Für sich hatte er nichts beansprucht – außer Macht. Er war, so urteilte Idris, eine Mischung aus Rasputin, Hitler und Gandhi gewesen. Hätte er im 19. oder 20. Jahrhundert auf der Erde gelebt, wäre er zweifellos zum Herrscher eines ganzen Kontinents geworden. Zwar hatte er es nur zum Gründer

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