Der Eisvogel - Roman
Wade, der Schnurrbart hob und senkte sich im hochroten Gesicht wie Gespensterärmel, sie lachte, wie ich nur Gabi habe einmal lachen hören, damals im Sommer, als sie nach unten griff mit pulsenden Nasenflügeln über mir, sich zurechtrückte und die ersten Züge eines heftigen Schwimmens machte, es war ein beinahe kindliches, entblößtes Lachen, Manuela tanzte auf mich zu, ich saß am anderen Ende des Tischs, sie hatte erst zwei oder drei Scheine berührt, die Musik war nun rasend schnell geworden, das Klatschen hatte etwas Peitschendes, jetzt war sie bei meinem Schein, der Absatz einen Moment in der Luft, dann stieß sie zu
– wir werden dich unterstützen, Mauritz, sagte die Freifrau, du kannst an die Arbeit gehen. Zu folgenden Bedingungen: Wir bleiben außen vor. Keine der von dir zu planenden und auszuführenden Aktionen darf mit den Aktivitäten der Organisation Wiedergeburt in Verbindung gebracht werden. Du agierst autonom und auf eigene Verantwortung. Du erstattest uns regelmäßig und in kurzen Abständen Bericht. Wenn wir das Gefühl haben, daß die Dinge eskalieren oder in eine von der Organisation nicht gewünschte Richtung driften, wirst du sofort stoppen. – Ja, sagte Manuela. Und jetzt zu den Einzelheiten
[ JOST F. {...}] er begann sich zu verändern, und ich war nicht der einzige, der das feststellte. Er hatte Umgang mit Mauritz, den er bei uns eingeführt hatte und der sich von uns entfernt hielt, auf Abstand, und auch Wiggo gegenüber nicht persönlicher wurde. Nicht nur ich beobachtete die beiden. Dorothea sagte: Wiggo ist ein anderer geworden, seitdem er diesen Mauritz kennt. Härter, rücksichtsloser, ich weiß nicht, ob es an Mauritz liegt und ob es gut ist. Was meinst du, Jost? Ichantwortete: Ich habe kein gutes Gefühl bei diesem Kerl. Um ehrlich zu sein, ich mag ihn nicht sehr. Wiggo scheint sich da, glaube ich, auf irgendetwas einzulassen. – Du beobachtest ihn? – Ich versuche, mich etwas um ihn zu kümmern; ich sehe ihm ein wenig zu, ja. Klingt seltsam, ich weiß. Das Problem ist, daß ich nicht genug Zeit dafür habe. Wir waren allein in Dorotheas Küche. Sie sah mich an, sagte: Merkwürdiges Hobby, meinen Bruder zu beobachten. Ich könnte mir was Besseres vorstellen, das ich mit meiner Zeit täte. – Er interessiert mich, und ich mag ihn. – Ach. Und ich? – Weißt du, Dorothea, es ist so: Ein Mann findet leichter eine Frau als einen Freund, jedenfalls ist das mein Eindruck. Wiggo ist mein Freund, ich mache mir Sorgen um ihn, seitdem dieser Mauritz aufgetaucht ist. – Eifersucht? Soll’s ja geben zwischen Jungs. Dorothea lachte spöttisch, auch verletzt, wie mir schien. Ich hatte ein wenig getrunken, hatte nicht die Kontrolle über meine Worte, die ich mir wünschte. Eine Zeile aus einem Lied der Comedian Harmonists ging mir durch den Kopf, Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt ... Es tat mir leid, diesen Satz ausgesprochen zu haben, ich hatte nicht bedacht, wie beleidigend er auf sie wirken mußte. Aber die Entschuldigung wollte mir nicht über die Lippen. Ich wandte mich ab von ihr, weil ich mich schämte. Nein, keine Eifersucht, sagte ich. Besorgnis. Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei dem Kerl. Wie gesagt. – Du versuchst dich also um ihn zu kümmern, siehst ihm ein wenig zu. Und was siehst du da? Hast du übrigens schon von seiner neuesten Idee gehört, dieser Philosophen-Praxis, die er aufmachen will? – Nein, erzähl. Ich wunderte mich über das Wort aufmachen, das Dorothea gebraucht hatte, aufmachen: wie eine Sardinenbüchse, eine Tür oder eine Boutique. – Ich weiß nicht, was er da treiben will. Philosophische Praxis. Vielleicht höhere Psychoanalyse oder so. Was hältst du davon?Sie lachte kurz. Wenn du mich fragst, ich glaube, mein Vater hat recht. Er sagt, daß er es für ziemlichen Blödsinn hält, eine typische Altwestberliner Schnapsidee, und daß er sich nicht vorstellen kann, daß Wiggo dort auch nur einen einzigen Klienten bekommt. – Ich schon, erwiderte ich ein wenig trotzig. Ich will ja nicht gleich von der ganzen Welt reden, aber zumindest Berlin ist doch voller Leute, die mit ihrem Leben nicht klarkommen. Sie lachte wieder. Na, wenn’s danach geht, hat Wiggo ja schon einen Stammkunden gefunden, er braucht nur mal in den Spiegel zu sehen. Übrigens redet Vater fast nur von ihm, wenn wir uns treffen. Bei mir – alles in Butter, ein paar Fragen, wie ich beruflich vorankomme und ob ich nicht an Kinder dächte.
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