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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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gedankenverloren hinauf in die wogenden Nebelmassen unter der Kuppeldecke. »Nicht ganz. Ich halte es für einen ausgesprochen armseligen Plan! Dummerweise ist es zurzeit der einzige, den wir haben.«

22
     
     
     
    »Sie? Was wollen Sie schon wieder, ich habe Ihnen doch …«
    Bevor der verdutzte Chauffeur den Satz beenden konnte, hatte Jorge einen Sprung nach vorn gemacht, Ulph das Türblatt aus der Hand gerissen und sich mit seinem ganzen Gewicht dagegengeworfen. Die vorgelegte Sicherheitskette zerriss mit einem peitschenden Laut. Das massive Holz krachte gegen Ulphs Stirn, er taumelte rückwärts. Jorge setzte nach, und noch bevor der Chauffeur in die Knie gesackt war, hatte der Troll ihn mit einer Hand am Hals gepackt und in die Höhe gerissen. Seine riesigen Finger umschlossen Ulphs Kehle fast vollständig.
    Hinter ihm trat Hippolit gemessenen Schrittes durch die Tür. Er schloss sie gewissenhaft hinter sich, dann sah er sich mit gerümpfter Nase um.
    Bereits der Weg nach Schmieden, in jenes heruntergekommene Arbeiterviertel, in dem Ulph wohnhaft war, hatte seine Stimmung nicht eben verbessert. Die holperige Droschkenfahrt durch Horden schmutziger, Faustball spielender Kinder, zwischen mannshohen Abfallhaufen und brennenden Ölfässern hindurch, hatte seine bei Madame Ganda erworbene Entspannung nachhaltig zunichtegemacht – oder besser: den mickrigen Rest, der nicht bereits der zwischenzeitlichen Rennerei im Institut zum Opfer gefallen war. Aber was half es, sich zu beschweren? Wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass Ulph in einer Verbindung zum Elbenschlächter stand, würden sich die erlittenen Unbilden schon bald auszahlen.
    Die Wohnung, in welcher der Chauffeur im zweiten Stock eines unsanierten Kastenbaus aus dem Zweiten Zyklus hauste, war klein, sie bestand im Grunde nur aus einem einzigen quadratischen Zimmer. Es gab einen Tisch und zwei Stühle, einer davon dreibeinig am Boden liegend. Auf dem Tisch, umringt von heruntergebrannten Kerzen und umgekippten Trinkbechern, standen mehrere krude hölzerne Bilderrahmen.
    In einer Ecke neben der Tür lag eine fleckige Matratze auf dem nackten Boden, aus deren aufgeplatzten Nähten Stroh quoll, am anderen Ende des Raums trennte eine zusammenklappbare Stellwand einen kleinen Bereich vom Rest ab. Noch bevor er den großen, wassergefüllten Eimer neben dem Paravent sah, war Hippolit klar, dass sich dahinter der Abort befinden musste: ein simples Loch im Boden, das die eingegebenen Exkremente über eine schmale Rutsche nach unten in den Rinnstein beförderte; zumindest, sofern man genügend Wasser nachgoss.
    Das Aroma im Raum machte aus der baulichen Integration der Kloake keinen Hehl. Es roch nach Kot, uraltem Kohl und Schweiß. Minimal erträglicher wurde die prekäre Mischung durch den stechenden Alkoholdunst, der sämtliche organischen Gerüche zu einem gewissen Teil überlagerte. Eine Armada leerer Flaschen lag im Zimmer verstreut, bauchige Gefäße, die einst Branntwein enthalten hatten, sowie zahllose schlanke Phiolen aus Braunglas, in denen Narko verkauft wurde, der billigste und gesundheitsschädlichste Schnaps in ganz Sdoom.
    Ein gurgelndes Geräusch riss Hippolit aus seinen Betrachtungen. Irritiert drehte er den Kopf.
    Jorge hatte den Chauffeur am Hals bis zur hinteren Wand getragen und presste ihn dort so gegen die unverputzten Mauersteine, dass sich Ulphs Augen auf gleicher Höhe mit seinen befanden – was bedeutete, dass die Füße des kleinen Mannes über eine Elle hoch in der Luft hingen. Strampelnd wand sich Ulph im stahlharten Griff seines Gegenübers, seine ohnehin fischartig vorstehenden Augen schienen jeden Moment ihre Verbindung mit dem Schädel aufgeben und aus den Höhlen springen zu wollen.
    »Es ist gut, Jorge«, sagte Hippolit und stieg über klirrendes Leergut hinweg. »Vergiss nicht: Wenn du ihn kaputt machst, kann er uns nichts mehr verraten!«
    »Da ist was dran«, fand Jorge und ließ den Arm mit dem Zappelnden sinken. »Viel Wahres und Kluges. ›Wenn du ihn kaputt machst, kann er uns nichts mehr verratene Ist das zufällig ein altes Troll-Sprichwort?«
    Hippolit verzichtete auf eine Antwort und näherte sich dem Mann, der nach Luft japsend am Fuß der Wand kauerte. Der Chauffeur trug lediglich eine alte, ausgebeulte Hose, die er mit einem Stück Seil um das lose Fleisch seines Bauches gegürtet hatte. Schwarz glänzende Haare sprossen aus der bleichen Haut von Oberkörper, Kinn und Wangen. Unter seinen Augen lagen

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