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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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ziemlich viel Bargeld angehäuft haben.«
    »Das kann ich nur bestätigen. Ich verpachte ja selbst an sie. Wenn sie nur nicht so rebellisch wären. Ich meine gar nicht ihre Kleidung. Aber der Kurfürst hat spitz gekriegt, dass in Kriegsheim mindestens drei Glaubenstaufen stattgefunden haben. Und nicht einmal besonders heimlich. Das erbost den guten Katholiken in ihm schrecklich, da ist er fast wie sein Vater. Außerdem machen sie ein schreckliches Getue, wenn es darum geht, dass sie einen Eid leisten sollen.«
    »Sie sind und bleiben im Grunde eben doch Ketzer, auch wenn wir sie offiziell Mennoniten nennen. Moment mal, wie heißen wieder die ganz Verbohrten, ach mein Lieber, es fällt mir im Moment nicht ein. Tatsache ist, dass sie sich bei uns durch das Ketzerrecht, das sonst im gesamten deutschen Reich gilt, durchlavieren.«
    »Ja, ja, es ist schon absurd, wie man sich heutzutage noch so in eine Religion verbeißen kann. Was haben die nur davon, frage ich mich. Ach, ich glaube, Sie meinten Amische. Amische nennen sich die ganz Fanatischen.«
    Deprimiert, wie sie war, stand Charlotte lange genug da, um den Sprühregen dieses Gespräches abzubekommen. Aber erst, als sie die Worte »Täufer« und »Ketzer« hörte, drehte sie den Kopf in Richtung der beiden diskutierenden Herren. Einen von ihnen kannte sie. Den kurpfälzischen Oberappellations- und Regierungsrat Geiger, ein Verehrer ihrer Mutter, was bedeuten musste, dass er frei von albernen Irrationalitäten und einigermaßen intelligent sein musste. Mit wachsender Neugier fing Charlotte die nächsten Tropfen der Unterhaltung auf.
    »Jedenfalls will der Kurfürst auf keinen Fall, dass es mehr als 200 werden.«
    Geiger räusperte sich und senkte seine Stimme, sodass Charlotte Mühe hatte, ihn zu verstehen, als er seinem Gegenüber zuraunte: »Wenn Sie mich fragen, sind es bestimmt schon um die 240. Wir in der Kommission wissen, dass derzeit auch wieder mehr Illegale aus Frankreich kommen. Sie schlüpfen in den Höfen ihrer Gleichgesinnten unter und nisten sich ein. Aber, das sage ich Ihnen ganz offen, weiß Gott nicht zu unserem Schaden.«
    »Und welche Daumenschrauben will der Kurfürst ansetzen? Etwa wie damals bei seinem Regierungsantritt das Schutzgeld erhöhen? Sie ausweisen oder zwangsweise missionieren?«
    Die Menge um sie geriet in Bewegung, Unruhe kam auf. Hatte sie eine Ansage Manteuffels überhört? Charlotte kam nicht zum Überlegen. Eine fette, nahezu knochenlose Hand ergriff die ihre, der Intimus des Fürsten, Lothar von Gagern, verbeugte sich. Im Nu bildete sich eine Menschenkette. Zwei Köpfe weiter reihte sich Geiger ein. Charlotte überlegte einen Moment, ob sie zu ihm wechseln sollte, denn sie hätte ihn gern etwas zu den Täufern gefragt. Da wurde auch schon ihre freie Hand von dem jungen Mann ergriffen, dessen Pickel sich unter dem Eindruck der elektrischen Kräfte noch mehr entzündet hatten. Denn inzwischen blühten sie dunkelrot wie Heidekraut nicht nur auf der Kinn- und Wangenpartie, sondern auch auf seiner Stirn. Weil er ihr leidtat, richtete Charlotte an ihn und nicht an Gagern das Wort.
    »Wissen Sie denn, was jetzt passiert?«
    Der junge Mann war zu aufgeregt, um zu antworten. Und so wurde Charlotte von einer quiekenden, zappelnden Menge an den Armen gerissen und fortgezogen. Personen, die einander nie offiziell vorgestellt worden waren, fanden sich ohne eigenes Zutun nebeneinander. Ohne dass jemand sie wenigstens grob nach Geschlecht, Familienstand, Bedeutung ihres Stammbaums geordnet hätte. Es herrschte schiere Anarchie. Als der Zug den Saal verließ, nahm die Nervosität noch zu. Eine Frau schrie hell und hysterisch auf, andere kicherten ohne Unterlass, Charlotte stolperte über einen verloren gegangenen Schuh, der junge Mann zog sie wie von Furien besessen weiter, die Naht an Charlottes linkem Ärmel riss von der Achselhöhle bis zum Ellenbogen auf. Sie spürte Treppenstufen unter ihren Füßen, gab sich Mühe Schritt zu halten und nicht hinzufallen. Während sie fester nach Gagerns Hand griff und dabei das Gefühl hatte, in Daunen zu greifen, schoss ihr durch den Kopf, dass jetzt wohl genau der Moment wäre, in dem Felix seine Revolution ausrufen könnte. So viel brodelnde Lust am Ungestümen, die einer leicht in Schabernack, aber auch in entfesselte Tollheit umdirigieren konnte, gab es nicht leicht wieder. Aber Felix lag ja wohl mit Bauchgrimmen im Bett oder schmollte noch immer. Außerdem fiel Charlotte ein, dass alle im Saal gut

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