Der elektrische Mönch
daß wir einen kleinen Wasservogel aus der Familie der
Anatidae
vor uns haben.«
»Und was ist dann ein Geist?«
»Ich denke, ein Geist. ..« , sagte Dirk, »ist jemand, der entweder gewaltsam oder unerwartet zu Tode gekommen ist und unerledigte Dinge am Hals hat. Der nicht ruhen kann, bis er sie nicht erledigt oder in Ordnung gebracht hat.«
Er drehte sich wieder um und sah sie an.
»Weshalb«, sagte er, »eine Zeitmaschine so eine große Faszination auf einen Geist ausübt, wenn er von ihrer Existenz weiß. Eine Zeitmaschine bietet die Möglichkeit, in Ordnung zu bringen, was nach Ansicht des Geistes in der Vergangenheit falsch gelaufen ist. Und ihn zu erlösen.
Weshalb er wiederkommen wird. Zuerst versuchte er, von Reg persönlich Besitz zu ergreifen, aber er widerstand. Dann kam der Zwischenfall mit dem Zaubertrick, dem Gesichtspuder und dem Pferd im Badezimmer, was ich -«, er machte eine Pause, »- was selbst ich nicht verstehe, auch wenn ich's ums Verrecken möchte. Und dann erscheinst du, Richard, auf dem Plan. Der Geist läßt von Reg ab und konzentriert sich statt dessen auf dich. Fast sofort ereignet sich ein merkwürdiger, aber bezeichnender Vorfall. Du tust etwas, von dem du hinterher möchtest, du hättest es nicht getan.
Ich meine natürlich den Anruf bei Susan, den du auf ihrem Anrufbeantworter hinterließest.
Der Geist nimmt seine Chance wahr und versucht, dich dazu zu verleiten, den Anruf ungeschehen zu machen. Sozusagen in die Vergangenheit zurückzugehen und die Mitteilung zu löschen - den Fehler, den du gemacht hast, zu korrigieren. Nur um zu sehen, ob du's tun würdest. Nur um zu sehen, ob es in deinem Charakter läge.
Wenn das der Fall gewesen wäre, stündest du jetzt total unter seiner Kontrolle. Aber im allerletzten Augenblick lehnte sich dein Inneres auf, und du tatest es nicht. Und so gibt der Geist auch dich als hoffnungslos auf und verläßt dich. Er muß jemand anderen finden.
Wie lange macht er das jetzt schon? Ich weiß es nicht. Hört sich das jetzt für dich plausibel an? Erkennst du die Wahrheit von dem, was ich sage?«
Richard wurde es eiskalt.
»ja« sagte er, »ich glaube, du hast absolut recht.«
»Und in welchem Augenblick«, fragte Dirk, »verließ dich der Geist?«
Richard schluckte.
»Als Michael Milton-Innerwoakes ins Zimmer kam«, sagte er.
»Da würde ich doch gerne wissen«, sagte Dirk leise, »welche Möglichkeiten der Geist in ihm erblickte. Ich frage mich, ob er diesmal fand, was er suchte. Ich glaube, wir werden nicht lange warten müssen.«
Es klopfte an der Tür.
Als sie sich öffnete, stand Michael Milton-Innerwoakes davor.
Er sagte nur: »Bitte, ich brauche Ihre Hilfe.«
Reg und Richard starrten auf Dirk und dann auf Michael.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich die Tasche hier irgendwo abstelle?« fragte Michael. »Sie ist ziemlich schwer. Voll mit Tauchgerät.«
»Oh, ich verstehe«, sagte Susan, »ja gut, danke, Nicola, ich probier's mit diesem Fingersatz. Das Es hat er sicher bloß da reingeschrieben, um die Leute zu ärgern. Ja, ich bin schon den ganzen Nachmittag konzentriert dran. Einige von den Sechzehntelläufen im zweiten Satzz sind entsetzlich vertrackt. Naja, es hat mich von allem etwas abgelenkt. Nein, nichts Neues. Es ist einfach alles rätselhaft und durch und durch grauenvoll. Ich möchte nicht einmal - hör zu, vielleicht rufe ich dich später noch mal an und erkundige mich, wie's dir geht. Ich weiß, ja, man weiß nie, was schlimmer ist, stimmt's, die Krankheit, die Antibiotika oder der Hausarzt. Paß auf dich auf, oder sorge zumindest dafür, daß Simon es tut. Sag ihm, er soll dir literweise heiße Zitrone machen. Okay. Schön, ich rufe dich später an. Halt dich warm. Bis dann.«
Sie legte auf und ging zu ihrem Cello zurück. Sie hatte kaum begonnen, sich das Problem dieses irritierenden Es nochmal durch den Kopf gehen zu lassen, als das Telefon klingelte. Sie hatte den ganzen Nachmittag über den Hörer einfach zur Seite gelegt, hatte es nun aber vergessen, nachdem sie selbst angerufen hatte.
Seufzend stellte sie das Cello ab, legte den Bogen weg und ging ans Telefon.
»Hallo?« fragte sie.
Wieder war nichts zu hören, nur ein fernes Windgeheul. Verärgert knallte sie den Hörer auf die Gabel.
Sie wartete ein paar Sekunden, bis die Leitung wieder frei war, und wollte eben schon den Hörer wieder von der Gabel nehmen, als ihr der Gedanke kam, daß Richard sie vielleicht brauchen
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