Der elektrische Mönch
Es war ihm ein störender Gedanke, daß jemand anderer Angst haben könnte, so einen Fahrweg in so einer Nacht entlangzugehen, aus Furcht, er könnte jemandem wie ihm begegnen.
Hinter einer Wand aus Eiben zu seiner Linken stand die dunkle Masse der alten, jetzt langsam verfallenden Kirche, die nur im Wechsel mit den anderen Kirchen der Nachbardörfer benutzt wurde und der ein Pfarrer vorstand, der von der Fahrradfahrt hierher immer außer Atem und durch die wenigen Leute entmutigt war, die auf ihn warteten, wenn er ankam. Hinter dem Kirchturm hing das kalte Auge des Mondes.
Der flüchtige Eindruck einer Bewegung schien plötzlich seinen Blick zu bannen, als habe sich eine Gestalt in den Büschen am Haus gerührt, aber es war, sagte er sich, nur seine Phantasie, die durch die Anstrengung, tot zu sein, überreizt war. Was gab es hier schon, wovor er sich fürchten sollte?
Er lief weiter, um den Seitenflügel des Pfarrhauses herum zur Eingangstür, die tief im Innern ihres düsteren, efeuumrankten Vorbaus versteckt war. Zu seiner Verblüffung bemerkte er plötzlich, daß Licht aus dem Haus drang. Elektrisches Licht und das schwache Flackern eines Kaminfeuers.
Es dauerte ein, zwei Augenblicke, bis ihm klar wurde, daß er natürlich für den Abend erwartet wurde, wenn auch kaum in seiner gegenwärtigen Gestalt. Mrs. Bennett, die alte Haushälterin, würde gekommen sein, um das Bett zu machen, das Feuer anzuzünden und ihm ein leichtes Abendessen hinzustellen. Auch der Fernseher würde laufen, vor allem, damit er ihn nach dem Eintreten ungeduldig ausmachen konnte.
Seine Schritte unterließen es, auf dem Kies zu knirschen, als er näherkam. Er wußte zwar, daß er an der Tür scheitern würde, dennoch konnte er nicht anders, als erst einmal zu ihr zu gehen und zu probieren, ob er sie öffnen könnte, und erst dann, in den Schatten des Vorbaus geduckt, würde er die Augen zumachen und sich verschämt durch die Tür gleiten lassen. Er ging zu der Tür und blieb stehen.
Sie war offen.
Nur zwei Zentimeter, aber sie war offen. Seine Seele zitterte ängstlich-überrascht. Wie konnte sie nur offen stehen? Mrs. Bennett war in solchen Dingen doch immer so gewissenhaft. Einen Augenblick blieb er unsicher stehen, dann stemmte er sich mühsam gegen die Tür. Unter dem bißchen Druck, den er gegen sie zustande brachte, schwang sie langsam und widerwillig auf, wobei ihre Angeln protestierend ächzten. Er schritt hindurch und glitt in die mit Steinplatten ausgelegte Eingangshalle. Eine breite Treppe führte ins Dunkle hinauf, aber die Türen, die von der Diele abgingen, waren alle zu.
Die nächstgelegene Tür führte in den Salon, in dem das Feuer brannte und aus dem er gedämpft die Autoverfolgungsjagden des Spätfilms hören konnte. Vergeblich mühte er sich ein, zwei Minuten mit dem glänzenden Messingdrehknopf ab, doch schließlich mußte er seine demütigende Niederlage eingestehen und warf sich in plötzlicher Wut mit aller Kraft gegen die Tür - und durch sie hindurch.
Der Raum war ein Abbild wohltuender Wohnlichkeit. Er taumelte voller Schwung hinein und war außerstande, sich daran zu hindern, weiter durch einen kleinen Beistelltisch zu schweben, auf dem dicke Sandwiches und eine Thermosflasche mit heißem Kaffee standen, dann durch einen großen Polstersessel hindurch ins Kaminfeuer, und durch die dicke, heiße Ziegelwand in das dunkle, kalte Eßzimmer dahinter.
Die Verbindungstür zurück in den Salon war ebenfalls geschlossen. Gordon befingerte sie empfindungslos, dann nahm er, sich ins Unvermeidliche schickend, seinen Mut zusammen und glitt ruhig und vorsichtig durch sie hindurch in den Salon zurück, wobei er zum erstenmal die prächtige innere Maserung des Holzes wahrnahm.
Die Gemütlichkeit des Raumes war fast zuviel für Gordon, und er wanderte gedankenverloren darin herum, außerstande, sich hinzusetzen und sich von der warmen Lebendigkeit des Kaminfeuers durchstrahlen zu lassen. Ihn konnte es nicht wärmen.
Was, überlegte er, machten Geister eigentlich die ganze Nacht?
Er setzte sich nervös hin und sah fern. Aber bald trieben die Autoverfolgungsjagden friedlich ihrem Ende entgegen, und es blieb nichts weiter als grauer Schnee und weißes Rauschen, das er einfach nicht ausschalten konnte.
Er stellte fest, daß er zu tief in den Sessel gesunken war, und kam mit Teilen davon durcheinander, als er sich wieder nach oben schob und zog. Er versuchte, sich einen Spaß draus
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