Der elektrische Mönch
verlangsamte seinen Schritt zu einem gemächlichen Gehen, während er mit raschen, gehetzen Blicken um sich warf. Die ihm so vertrauten Schaufenster voll altem poliertem Messing, altem poliertem Holz und Bildern japanischer Fische erschienen ihm plötzlich bedrohlich und unheilschwanger.
Wer konnte denn bloß den Wunsch gehabt haben, Gordon umzubringen? Das war der Gedanke, der plötzlich auf ihn einhämmerte. Bislang hatte ihn nichts weiter beschäftigt, als daß er es nicht getan hatte.
Aber wer dann?
Das war die neue Überlegung.
Viele Leute machten sich nicht viel aus ihm, aber es ist ein riesiger Unterschied, ob man jemanden nicht mag-vielleicht ihn sogar ganz und gar nicht mag - oder tatsächlich erschießt, erwürgt, über die Felder schleift und ihm das Haus ansteckt.
Das war ein Unterschied, der die große Mehrheit der Bevölkerung tagtäglich am Leben erhielt.
War es bloß ein Diebstahl gewesen? Dirk hatte nicht erwähnt, ob was vermißt wurde, aber er hatte ihn auch nicht gefragt.
Dirk. Der Anblick seiner absurden, aber merkwürdig dominierenden Gestalt, die wie eine dicke Kröte grübelnd in ihrem schäbigen Büro saß, ging Richard nicht aus dem Sinn. Er bemerkte, daß er denselben Weg, den er gekommen war, wieder zurückging, und bog absichtlich rechts statt links ab.
Dort entlang lag der Wahnsinn.
Er brauchte einfach einen Ort, etwas Zeit, um nachzudenken und seine Gedanken zu sammeln.
In Ordnung - also, wo ging er hin? Er blieb einen Moment stehen, machte kehrt und blieb wieder stehen. Der Gedanke an Dolmades erschien ihm plötzlich sehr verlockend, und ihm kam die Idee, daß die heitere, heldenhafte und haltungsvolle Handlungsweise einfach die wäre, hinzugehen und sich welche zu bestellen. Das würde dem Schicksal zeigen, wer der Boss war. Aber das Schicksal war mit genau derselben Tätigkeit beschäftigt. Es saß nicht ausgerechnet in einem griechischen Restaurant und aß Dolmades, aber das hätte es genausogut auch tun können, denn es war offensichtlich im Dienst. Richards Schritte lenkten ihn unerbittlich zurück durch die gewundenen Straßen und über den Kanal.
Er machte kurz in einem Eckladen halt, dann hastete er weiter, an den Häusern des sozialen Wohnungsbaus vorbei und wieder zurück in die Buddelkiste der Stadtplaner, bis er von neuem vor der Nummer 33 in der Peckender Street stand. Ungefähr zur selben Zeit, als das Schicksal sich möglicherweise den letzten Schluck Retsina eingoß, den Mund abwischte und überlegte, ob es noch etwas Platz für Baklavas hätte, blickte Richard an dem hohen, rötlichen viktorianischen Haus mit seinem rußgeschwärzten Mauerwerk und den schweren, abstoßenden Fenstern hoch. Ein Windstoß fegte durch die Straße, und ein kleiner Junge kam zu ihm herangehüpft.
»Hau ab«, piepste der kleine junge, dann hielt er inne und sah ihn nochmal an.
»Ääh, Mister, kann ich deine Jacke haben?«
»Nein«, sagte Richard.
»Warum nick?« fragte der Junge.
»Äh, weil ich sie mag«, sagte Richard.
»Versteh nich, warum«, murmelte der junge. »Hau ab.« Er latschte mürrisch davon, die Straße runter, und kickte einen Stein nach einer Katze.
Richard ging von neuem in das Haus, stieg nervös die Treppe hoch und guckte wieder in das Büro.
Dirks Sekretärin saß an ihrem Schreibtisch, den Kopf gesenkt, die Arme verschränkt.
»Ich bin nicht da«, sagte sie.
»Verstehe«, sagte Richard.
»Ich bin bloß zurückgekommen«, sagte sie, ohne von dem Fleck auf ihrem Schreibtisch aufzublicken, den sie wütend anstarrte, »damit er auch wirklich merkt, daß ich weg bin. Sonst vergißt er's vielleicht noch.«
»Ist er da?« fragte Richard.
»Wer weiß? Wen interessiert's? Fragen Sie am besten jemanden, der für ihn arbeitet, ich tu das nämlich nicht.«
»Führen Sie ihn rein!« donnerte eine Stimme.
Sie hob für einen Augenblick ihr finsteres Gesicht, stand auf, ging zu der Innentür, riß sie auf, sagte: »Führen Sie ihn doch selber rein«, knallte die Tür wieder zu und kehrte auf ihren Platz zurück.
»Äh, warum führe ich mich denn nicht einfach selber rein?« sagte Richard.
»Ich höre Sie nicht mal«, sagte Dirks Ex-Sekretärin und starrte entschlossen auf ihren Schreibtisch. »Wie können Sie von mir erwarten, daß ich Sie höre, wenn ich nicht mal hier bin?«
Richard machte eine versöhnliche Geste, die nicht beachtet wurde, ging an ihr vorbei und machte selber die Tür zu Dirks Büro auf. Zu seinem
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