Der Engel Esmeralda
sind wir hier. Dieser ganze Tag, egal, was wir sagen oder tun, kommt und geht auch wieder.«
»Ich möchte das nicht fortsetzen.«
»Freunde sein.«
»Es stimmt einfach nicht.«
»Nein, Freunde sein.«
In seiner Stimme schwang eine dermaßen falsche Vertrautheit mit, dass es fast bedrohlich wirkte. Sie wusste nicht, warum sie immer noch dasaß. Da beugte er sich zu ihr und legte ihr eine Hand leicht auf den Unterarm.
»Ich versuche niemanden zu kontrollieren. So bin ich nicht.«
Sie wich zurück und stand auf, und dann war er überall an ihr dran. Sie zog den Kopf zwischen ihren Schultern ein. Er übte keinen Druck aus und versuchte auch nicht, ihre Brüste oder Hüften zu streicheln, aber er hielt sie in einer Art lockerer Zügelung. Einen Moment lang schien sie zu verschwinden, eingezogen und still, sich atemlos verbergend. Dann machte sie sich los. Er ließ es zu und sah sie so sachlich an, so abschätzend, dass sie ihn kaum wiedererkannte. Er stufte sie ein, bewertete sie auf eine grässliche, vernichtende Weise.
»Freunde sein«, sagte er.
Sie merkte, dass sie den Kopf schüttelte, versuchte, diesen Augenblick zu entkräften, ihn zu revidieren, ein Missverständnis. Er beobachtete sie. Sie stand am Bett, und genau diese Information war in seinem Blick enthalten, diese beiden Dinge, sie und das Bett. Er zuckte die Achseln, als wollte er sagen, Passt doch alles. Weil, wozu sind wir hier, wenn wir nicht tun, wozu wir hier sind? Dann zog er sein Jackett aus,eine Folge gemächlicher Bewegungen, die den ganzen Raum aufzubrauchen schienen. In seinem zerknitterten weißen Hemd war er massiger denn je, schwitzte, ein völlig Unbekannter für sie. Er hielt das Jackett seitlich von sich weg, den Arm ausgestreckt.
»Siehst du, so einfach. Jetzt du. Fang mit den Schuhen an«, sagte er. »Erst den einen, dann den anderen.«
Sie ging in Richtung Bad. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie schlich mit gesenktem Kopf an der Wand entlang, ein blind marschierendes Wesen, und ging ins Bad. Sie machte die Tür zu, traute sich aber nicht, sie abzuschließen. Sie dachte, das könnte ihn womöglich aufbringen, reizen, etwas zu tun, etwas kaputt zu machen oder noch schlimmer. Sie schob den Riegel nicht vor. Sie war fest entschlossen, das nur zu tun, falls sie ihn aufs Bad zukommen hörte. Sie glaubte nicht, dass er sich bewegt hatte. Sie war sicher, fast sicher, dass er beim Couchtisch stand.
Sie sagte: »Bitte gehen Sie.«
Ihre Stimme war unnatürlich, ein so kleiner Flötenton, dass sie noch mehr Angst bekam. Dann hörte sie, wie er sich bewegte. Es klang fast gemütlich. Fast ein Schlendern, und es führte ihn vorbei am Heizkörper, dessen Abdeckung leicht rappelte, auf das Bett zu.
»Sie müssen gehen«, sagte sie, jetzt lauter.
Er saß auf dem Bett und öffnete seine Gürtelschnalle. Das glaubte sie jedenfalls zu hören, wie die Spitze des Gürtels aus der Schlaufe glitt, und dann ein kleines Klicken von Dorn und Schnalle. Sie hörte den Reißverschluss, abwärts.
Sie lehnte an der Badezimmertür. Nach einer Weile hörte sie ihn atmen, das Geräusch konzentrierter Betätigung, nasal und rhythmisch. Sie stand da und wartete, Kopf gesenkt,Körper an der Tür. Sie konnte nur lauschen und warten.
Als er fertig war, gab es eine lange Pause, dann einiges Rascheln und Rutschen. Sie glaubte zu hören, wie er sein Jackett anzog. Jetzt kam er auf sie zu. Ihr ging auf, dass sie vorhin die Tür hätte verriegeln können, als er auf dem Bett war. Sie stand da und wartete. Dann spürte sie, wie er sich gegen die Tür lehnte, sein volles Gewicht, wenige Zentimeter weg, nicht drückend, eher sackend. Leise schob sie den Riegel ins Schloss. Er blieb dort angelehnt, atmete, sank an die Tür.
Er sagte: »Verzeihen Sie mir.«
Seine Stimme war kaum zu hören, fast ein Stöhnen. Sie stand da und wartete.
Er sagte: »Es tut mir so leid. Bitte. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Sie wartete, dass er ging. Als sie ihn durchs Zimmer gehen und die Tür hinter sich zumachen hörte, endlich, da wartete sie noch eine ganze Minute. Dann verließ sie das Bad und schloss die Wohnungstür ab.
Jetzt sah sie alles doppelt. Sie war, wo sie sein wollte, und allein, aber nichts war wie vorher. Arschloch. Fast alles im Zimmer hatte einen doppelten Effekt – es war, was es war, und die Assoziation, die es in ihrem Kopf auslöste. Sie ging etwas spazieren, und als sie zurückkam, war die Verbindung immer noch da, am Couchtisch, auf dem Bett,
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