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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Schokoladentörtchen.«
    Die Uhrzeiten sind besonders wichtig: Das Paar dürfte das Lokal
Il settimo sigillo
schätzungsweise gegen 22.30 oder 23.00  Uhr verlassen haben.
    »Sobald wir fertiggegessen hatten«, heißt es weiter in Alessandras Bericht, »sind wir aufgebrochen, weil es ziemlich kalt war. Wir sind die Stufen hinuntergegangen, die von der Piazza Grimana zum Parkplatz S. Antonio führen, wo wir unser Auto abgestellt hatten.«
    Auch die Örtlichkeit ist wichtig: Der Parkplatz S. Antonio liegt genau gegenüber von dem kleinen Landhaus, in dem sich das Verbrechen abgespielt hatte.
    »Während ich die Treppen hinunterstieg«, fuhr die Zeugin fort, »wurde mein Freund von einem Farbigen rüde angerempelt, der auf die Via Pinturicchio zurannte. Das hat«, so schließt sie, »unseren Verdacht erregt.«
    Um 23.00  Uhr, zur anzunehmenden Tatzeit, wenige Meter von Merediths Haus entfernt, flüchtete also ein junger Farbiger, ohne darauf zu achten, wem er dabei begegnete. Ein einzelner junger Mann. Ein Farbiger.
    Am darauffolgenden Abend wurde Rudy Guedé ein weiteres Mal im
Domus delirii
gesehen. Als der DJ um eine Gedenkminute für ihre Altersgenossin Meredith Kercher bat, so schilderten es ein paar andere Zeugen, habe Rudy einfach weitergetanzt, ganz allein, worauf ihn alle böse angeschaut hätten. Nach diesem Vorfall beschloss er, aus der Stadt zu fliehen.
    Als man ihn schnappte, bestritt er das natürlich. Er sagte, er habe lediglich seine Tante in Lecco besuchen wollen, um ihr sein Herz auszuschütten und sich von der unglaublichen Last zu befreien, die er mit sich herumtrug. Leider habe er, fügte er improvisierend an, den falschen Zug erwischt. Als er seinen Fehler bemerkt habe, sei er nicht ausgestiegen, sondern habe seine Reise einfach fortgesetzt. So sei er dann nach Koblenz gelangt. Er habe keinen Cent in der Tasche gehabt, doch ein paar ausländische Jugendliche in der Bahnhofsgegend hätten ihm irgendwie aushelfen können.
    Am 16 . November erließ die Staatsanwaltschaft Perugia einen internationalen Haftbefehl gegen Rudy Guedé, in dem sie ihn zusammen mit Amanda, Raffaele und Lumumba der »Beihilfe« zum Mord beschuldigte.
    Am 19 . November wurde die Nachricht, dass man Guedé suchte, endlich veröffentlicht. So erfuhren auch seine Freunde davon, die schon in Sorge waren, weil sie ihn seit Tagen nicht gesehen hatten. Und genau an jenem Tag bemerkte Giacomo Benedetti, der in Perugia in einer Band spielte, eine Aktivität im Instant-Messenger-Account von Rudy Guedé. Als er zur Polizei ging, wurde ihm aufgetragen, sich von einem der Büros aus mit seinem ivorischen Freund in Verbindung zu setzen. Da ihm Chatten jedoch zu langwierig erschien, schlug er Rudy vor, ihn über Skype zu kontaktieren. Er würde alle anfallenden Kosten übernehmen. Wenig später folgte von einem Internet-Point aus der Anruf. Drei Stunden lang sprach Rudy mit Giacomo, ohne zu wissen, dass die Polizei seinen Anruf mithörte und aufzeichnete. Zunächst gab er an, er wisse, was in Perugia passiert sei.
    »Aber das ist ein Fehler. Ich bin kein Baron. So nennen sie mich nur wegen Byron Scott, dem berühmten Basketballspieler!«
    Giacomo erinnerte ihn daran, dass dies ja wohl nicht das Problem sei, sondern dass es um etwas sehr viel Schwerwiegenderes gehe.
    »Hör zu«, antwortete Guedé. »Du weißt, dass ich die Mädchen gekannt habe. Ich kannte sie beide, Meredith und Amanda, aber mehr nicht, das weißt du. Ich war zweimal bei ihnen zu Hause, das letzte Mal zwei Tage vor diesem ganzen Schlamassel, aber ich habe nichts gemacht. Ich war an dem Abend nicht bei ihnen. Wenn sie Fingerabdrücke von mir haben, dann stammen die von den vorigen Malen.«
    Mit der Behauptung, dass er die Mädchen kenne und schon einmal bei ihnen zu Hause gewesen sei, versuchte er, eventuelle Fingerabdrücke zu erklären. Wahrscheinlich erinnerte sich Guedé nicht, dass er noch mehr, sehr viel mehr, hinterlassen hatte.
    »Aber hier hängt überall dein Foto!«, sagte Giacomo.
    »Das habe ich gesehen. Aber es war falsch von der Polizei, mein Foto auf diese Art zu verbreiten. Ich bin nicht, wie sie mich beschreiben. Ich habe nichts mit dieser Nacht zu tun.«
    »Wenn du nichts damit zu tun hast, warum kommst du dann nicht zurück? Ich helfe dir, einen guten Anwalt zu finden, der alles aufklären wird«, versuchte es Giacomo, wahrscheinlich auf Anraten der Polizei.
    Am 19 . November glaubte Rudy noch, alles leugnen zu können, auch die Tatsache, dass er

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