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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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«flüchtet sich in jene schiefe, euphorisch poetische Prosa, die eine der unangenehmsten Ausdrucksformen französischer Geisteshaltung darstellt», so Medawar. In seinen Augen (und heute auch in meinen, obwohl ich zugegebenermaßen gefesselt war, als ich es als ziemlich romantisch veranlagter Studienanfänger las) ist das Buch ein Musterbeispiel für schlechte poetische Naturwissenschaft. Neben anderen Themen behandelt Teilhard auch die Evolution des Bewusstseins, und Medawar zitiert ihn, wiederum in Pluto’s Republic , folgendermaßen:
     
    Am Ende der Tertiärzeit war die Seelentemperatur in der Zellwelt seit über 500 Millionen Jahren angestiegen … Als der Vormensch sozusagen den «geistigen» Siedepunkt erreicht hatte, wurden noch einmal ein paar Kalorien hinzugefügt … Mehr war nicht notwendig, um das innere Gleichgewicht zu stören … Durch eine winzige «tangentiale» Zunahme wurde die «radiale» auf sich selbst zurückgeführt und machte sozusagen einen unendlichen Sprung nach vorn. Äußerlich hatte sich in den Organen fast nichts verändert. Aber in der Tiefe hatte eine große Revolution stattgefunden; jetzt hüpft und siedet das Bewusstsein in einem Raum der über-sinnlichen Beziehungen und Darstellungen …
     
    Dazu bemerkt Medawar trocken:
     
    Der Vergleich, das sollte man erklären, bezieht sich auf Wasser, das bis zum Siedepunkt erhitzt wird, und der Eindruck von heißer Luft bleibt bestehen, wenn man alles andere vergessen hat.
     
    Weiterhin macht Medawar darauf aufmerksam, dass Mystiker eine besondere Vorliebe für «Energie» und «Schwingungen» haben, zwei Fachausdrücke, die sie missbrauchen, um einen naturwissenschaftlichen Inhalt vorzugaukeln, wo in Wirklichkeit keinerlei Inhalt vorhanden ist. Auch Astrologen glauben, jeder Planet dünste seine eigene, ganz spezielle «Energie» aus, die dann angeblich das Leben der Menschen beeinflusst und im Zusammenhang mit bestimmten Gefühlen und Eigenschaften steht: mit Liebe bei Venus, mit Aggression bei Mars und mit Intelligenz bei Merkur. Grundlage für diese angeblichen Eigenschaften sind – was sonst? – die Charaktereigenschaften der römischen Götter, nach denen die Planeten benannt sind. Außerdem werden die Tierkreiszeichen auf eine Art, die an die Regenmacher der australischen Ureinwohner erinnert, mit den vier «Elementen» der Alchemisten gleichgesetzt: Erde, Luft, Feuer und Wasser. Menschen, die unter Erdzeichen wie dem Stier geboren wurden, sind – ich zitiere eine zufällig ausgewählte astrologische Seite aus dem World Wide Web –
     
    zuverlässig, realistisch, erdverbunden … Menschen eines Wasserzeichens sind einfühlsam, mitfühlend, fürsorglich, empfindsam, medial veranlagt, geheimnisvoll und mit einem intuitiven Bewusstsein begabt … Fehlt das Wasser, können sie mitleidlos und kalt sein.
     
    Die Fische sind ein Wasserzeichen (warum wohl?), und das Element Wasser «stellt die Energie und Kraft einer unbewussten Macht dar, die uns motiviert …».
    Teilhards Buch gibt sich zwar als naturwissenschaftliches Werk aus, aber seine «Seelentemperatur» und seine «Kalorien» sind ebenso bedeutungsleer wie die planetaren Energien der Astrologie. Der metaphorische Gebrauch steht in keiner sinnvollen Beziehung zu ihrer realen Entsprechung. Entweder besteht überhaupt keine Ähnlichkeit, oder die vorhandene Ähnlichkeit trägt nicht zum Verständnis bei, sondern behindert es.
    Bei all diesen negativen Aspekten dürfen wir aber nicht vergessen, dass gerade symbolische Intuition, mit der Gesetzmäßigkeiten der Ähnlichkeit aufgedeckt wurden, die Wissenschaftler zu ihren bedeutendsten Leistungen befähigt. Thomas Hobbes ging noch weiter, als er 1651 im Kapitel 5 seines Leviathan schrieb:
     
    Die Vernunft ist der Schrittmacher, die Wissenschaft der Weg, und das Ziel ist das Wohl der Menschheit. Metaphern dagegen oder unsinnige oder zweideutige Wörter gleichen den ignes fatui (den Irrlichtern). Wenn man sich von ihnen leiten läßt, wandelt man zwischen lauter Unsinn und endet bei Streit, Aufruhr und Ungehorsam.
     
    Geschicklichkeit im Prägen von Metaphern und Symbolen ist eines der charakteristischen Kennzeichen naturwissenschaftlicher Genies.
    Der Literaturwissenschaftler, Theologe und Kinderbuchautor C. S. Lewis unterschied 1939 in einem Aufsatz zwischen Lehrerpoesie (mit der beispielsweise Wissenschaftler in metaphorischer, poetischer Sprache uns anderen etwas erklären, was wir schon wissen) und Schülerpoesie

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