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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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darwinistischen Lehre keine Lösung … Grundlegende Ideen gibt es wie die idealen geometrischen Formen nur in geringer Zahl. Sie stehen ewig zum Gebrauch zur Verfügung …
     
    Goulds ewige ungelöste Fragen der Paläontologie sind drei an der Zahl: Ist die Zeit gerichtet wie ein Pfeil? Wird die Evolution von einer inneren oder einer äußeren Kraft getrieben? Verläuft Evolution allmählich oder in plötzlichen Sprüngen? In der Geschichte findet er Beispiele für Paläontologen, die diese drei Fragen in allen acht möglichen Kombinationen beantwortet haben, und dabei stellt er zufrieden fest, dass sie die darwinistische Revolution überbrücken, als hätte es sie nicht gegeben. Aber das gelingt ihm nur mit krampfhaften Vergleichen zwischen Denkrichtungen, die bei näherem Hinsehen nicht mehr gemeinsam haben als Blut und Wein oder spiralförmige Umlaufbahnen und spiralförmige DNA. Alle drei ewigen Metaphern Goulds sind schlechte Poesie, an den Haaren herbeigezogene Analogien, die mehr verschleiern als offenbaren. Und schlechte Poesie ist in seinen Händen besonders schädlich, gerade weil Gould ein begabter Schriftsteller ist.
    Die Frage, ob die Evolution eine Richtung hat, ist nicht unvernünftig. Nur kann sich dahinter sehr Unterschiedliches verbergen. Und die Sachverhalte, die zu diesen unterschiedlichen Fragestellungen gehören, passen so schlecht zusammen, dass man sie nicht gut unter einen Hut bringen kann. Wird der Körperbau im Laufe der Evolution immer komplexer? Das ist eine sinnvolle Frage. Genauso vernünftig ist es zu fragen, ob die gesamte Artenvielfalt auf der Erde über die Zeitalter hinweg immer größer wurde. Aber es sind zwei völlig verschiedene Fragen, und ganz offensichtlich hilft es nichts, wenn man sie in einer Jahrhunderte überspannenden «progressivistischen» Denkrichtung zusammenzufassen versucht. Und noch weniger haben beide in ihrer heutigen Form mit den vordarwinistischen Schulen des «Vitalismus» und «Finalismus» zu tun, nach deren Ansicht die Lebewesen von innen heraus durch eine geheimnisvolle Kraft immer weiter in Richtung eines ebenso geheimnisvollen Ziels «vorangetrieben» wurden. Gould konstruiert unnatürliche Verbindungen zwischen allen diesen Formen des Progressivismus, um mit ihrer Hilfe seine poetisch-historische These zu untermauern.
    Das Gleiche gilt im Wesentlichen auch für die zweite ewige Metapher und für die Frage, ob die äußere Umwelt die Triebkraft des Wandels ist oder ob dieser aus «einer eigenständigen, inneren Dynamik der Lebewesen selbst» erwächst. In der aktuellen Debatte gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Positionen: die, für die die darwinsche natürliche Selektion die stärkste Triebkraft der Evolution ist, und jene, die andere Kräfte, wie beispielsweise die zufällige Gendrift, für wichtiger halten. Diese wichtige Unterscheidung spiegelt sich aber nicht einmal ansatzweise in dem Gegensatz zwischen Internalisten und Externalisten wider, mit dessen Hilfe Gould uns seine These aufzwingen will, dass die Argumentation nach Darwin nur eine Wiederaufnahme ihrer vordarwinistischen Entsprechung darstellt. Ist die natürliche Selektion externalistisch oder internalistisch? Das kommt darauf an, ob von der Anpassung an die äußere Umwelt oder von der gegenseitigen Anpassung der Körperteile die Rede ist. Ich werde auf den Unterschied später in anderem Zusammenhang zurückkommen.
    Noch deutlicher zeigt sich die schlechte Poesie in Goulds Ausführungen über die dritte ewige Metapher, in der es um graduelle (kontinuierliche) oder punktuelle (sprunghafte) Evolution geht. Unter dem Begriff «sprunghaft» fasst Gould drei Arten scharfer Brüche in der Evolution zusammen: erstens Katastrophen wie das Massenaussterben der Dinosaurier, zweitens Makro- oder Sprungmutationen und drittens Unterbrechungen im Sinne der Theorie des unterbrochenen Gleichgewichtes ( punctuated equilibrium ), die Gould und sein Kollege Niles Eldredge 1972 entwickelten. Diese Theorie muss ein wenig näher erläutert werden; ich werde in Kürze darauf zurückkommen.
    Katastrophale Aussterbeereignisse sind einfach zu definieren. Ihre Ursachen sind im Einzelnen umstritten und wahrscheinlich auch von Fall zu Fall unterschiedlich. Vorerst wollen wir nur festhalten, dass eine weltweite Katastrophe, in deren Verlauf die meisten biologischen Arten aussterben, gelinde gesagt nicht das Gleiche ist wie eine Makromutation. Mutationen sind zufällige Fehler bei der Verdoppelung von

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