Der entzauberte Regenbogen
anderen hinzu. Finden wir eine Übereinstimmung, habe ich die Wette gewonnen, das Spiel ist zu Ende, und wir kümmern uns nicht mehr um die übrigen Personen. Haben wir alle 23 betrachtet, ohne eine Übereinstimmung zu finden, sind Sie der Gewinner.
Für die erste Person im Raum – nennen wir sie A – beträgt die Wahrscheinlichkeit der Situation «bisher keine Übereinstimung» 1 (365 von 365 Möglichkeiten) – das ist trivial. Jetzt nehmen wir die zweite Person B hinzu. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Übereinstimmung bei 1 zu 365. Die Chance für «bisher keine Übereinstimmung» beträgt demnach 364/365. Für die dritte Person C besteht eine Wahrscheinlichkeit von 1/365 für eine Übereinstimmung mit A und 1/365 für eine Übereinstimung mit B. Die Wahrscheinlichkeit, dass C mit keinem von beiden übereinstimmt, beträgt also 363/365 (mit beiden kann er nicht übereinstimmen, denn dass A und B nicht den gleichen Geburtstag haben, wissen wir bereits). Um die Gesamtwahrscheinlichkeit für «bisher keine Übereinstimmung» zu ermitteln, müssen wir diese Chance von 363/365 mit der Wahrscheinlichkeit multiplizieren, die gegen eine Übereinstimmung in den früheren Berechnungsrunden spricht, in diesem Fall also mit 364/365. Die gleiche Überlegung gilt für die vierte Person D. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit für «bisher keine Übereinstimmung» bei 364/365 × 363/365 × 362/365. So geht es für alle 23 Personen in dem Zimmer weiter. Durch jede von ihnen kommt ein neuer mathematischer Bruch hinzu, den wir in die Gesamtmultiplikation für «bisher keine Übereinstimmung» einbeziehen müssen.
Führt man diese Multiplikation 23-mal durch (wobei man bis zu dem Bruch 343/365 gelangt), liegt das Ergebnis bei rund 0,49. Das ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in dem Zimmer keine zwei gleichen Geburtstage gibt. Demnach besteht eine Chance von etwas mehr als 50 Prozent, dass mindestens zwei der 23 Personen in der Gruppe am gleichen Tag Geburtstag haben. Die Intuition der meisten Menschen würde gegen ein solches Zusammentreffen sprechen. Aber damit haben sie Unrecht. Solche intuitiven Fehler sind es, die ganz allgemein unser Urteil über «unwahrscheinliche» Vorfälle belasten.
Bei dem folgenden zufälligen Zusammentreffen, das sich tatsächlich ereignet hat, ist die Sache zwar etwas schwieriger, aber auch hier können wir versuchen, näherungsweise die Wahrscheinlichkeit auszurechnen. Meine Frau kaufte einmal für ihre Mutter eine sehr schöne alte Armbanduhr mit rosafarbenem Zifferblatt. Als sie damit nach Hause kam und das Preisetikett entfernte, fand sie darunter zu ihrer großen Verblüffung die auf der Rückseite der Uhr eingravierten Initialen ihrer Mutter: M. A. B. Unheimlich? Gruselig? Schauer auf dem Rücken? Der berühmte Romanschriftsteller Arthur Koestler hätte eine Menge hineininterpretiert. Das Gleiche hätte auch C. G. Jung getan, der weithin bewunderte Psychologe und Erfinder des «kollektiven Unbewussten», der auch glaubte, man könne einen Bücherschrank oder ein Messer mit psychischen Kräften dazu veranlassen, mit lautem Knall zu explodieren. Meine Frau hatte mehr Verstand: Sie hielt die Übereinstimmung der Initialen nur für äußerst bequem und so amüsant, dass sie mir davon erzählte – und ich schildere die Geschichte nun einem größeren Publikum.
Wie groß ist also die Wahrscheinlichkeit, die gegen ein solches Zusammentreffen spricht? Wir können sie zunächst einmal auf naive Weise berechnen. Das Alphabet hat 26 Buchstaben. Wenn die Initialen der Mutter aus drei Buchstaben bestehen und man eine Uhr mit drei zufällig eingravierten Buchstaben findet, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei übereinstimmen, bei 1 / 26 × 1 / 26 × 1 / 26 oder 1 zu 17 576. In Großbritannien leben etwa 55 Millionen Menschen. Würde jeder eine alte, gravierte Uhr kaufen, könnten wir damit rechnen, dass über 3000 von ihnen vor Verblüffung den Atem anhalten, weil sie feststellen, dass die Uhr bereits die Initialen ihrer Mutter trägt.
In Wirklichkeit ist die Wahrscheinlichkeit sogar noch größer. Bei unserer naiven Berechnung sind wir von der falschen Annahme ausgegangen, dass jeder Buchstabe mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 / 26 der Anfangsbuchstabe eines Namens ist. Das ist die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für das gesamte Alphabet, aber manche Buchstaben, beispielsweise X und Z, sind seltener. Andere, darunter auch M, A und B, kommen häufiger vor:
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