Der Erbe Dschainas
der geringe Sauerstoffvorrat verbraucht war und die Flammen erloschen. Dann schaltete Skellor das Programm ab und verfluchte die eigene Dummheit.
Drache war in jener Gegend dort unten abgestürzt, wie man an dem Krater sah, und der junge Outlinker war ebenfalls dort – was bedeutete, dass man wahrscheinlich auch Cormac in der gleichen Gegend fand. Skellor spürte, wie der Zorn in ihm stieg und fiel. Was er gerade an Verwüstung und Tod angerichtet hatte, war an sich ohne Bedeutung, denn letzten Endes musste er jegliches menschliche Leben aus dem hiesigen Sonnensystem tilgen und auch noch den letzten Fetzen Aufzeichnungstechnik in Staub verwandeln, damit hier niemals ein Beweis seiner Existenz gefunden wurde. Jetzt hatte er die eigenen Augen in der betreffenden Gegend zerstört – jene Soldaten der Theokratie in den Landungsbooten und ringsherum, die ihre Verstärker nicht herausgerissen hatten –, und mit dem gleichen Feuerstoß hätte er auch Cormac umbringen können. Schäumend stoppte er das Angriffsprogramm, das er schon in die gesamte von ihm übernommene Theokratie-Armee herabgeladen hatte, ließ die Soldaten kehrtmachen und zu den Landungsbooten zurückmarschieren.
» Warum verbrennst du nicht einfach alles?«
Zum ersten Mal seit einiger Zeit öffnete Skellor seine Menschenaugen und blickte durch die Steuerzentrale zu Aphran hinüber – umschlungen von einem Baum Dschaina-Architektur, der sie vom Sitz hochgehoben hatte, während er sie folterte. Ihn überraschte, dass sie nach wie vor über genügend Verstand verfügte, um eine solche Frage zu stellen, da sie innerlich so stark zerfallen war, dass er ihr jede Steuerungsfunktion hatte nehmen müssen.
» Weil ich ihn haben möchte! Er verkörpert die Arroganz der Polis und der ECS, und ich möchte ihn genau dort, sehen, wo du jetzt bist. Ich möchte ihm zeigen, wie sehr er sich irrt, wie dumm es von ihm war, mich zu frustrieren.«
Obwohl ihm Aphran nicht mehr als Subgehirn dienen konnte, hatte er sich nicht gänzlich von ihr abgekoppelt. Er spürte, wie sie sich anstrengte, nichts zu sagen, ihre Gedanken nicht in die Kommunikation einfließen zu lassen. Und während sie sich abmühte, spürte er, wie sie sich in zwei Aphrans aufteilte: die eine, die endlos ›ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich!‹ – rezitierte, und die andere, die jetzt den Mund des nackten und aufgerissenen Menschenkörpers öffnete, der verdreht zwischen holzartigen Strünken hing, und rostige, würgende Worte hervorbrachte.
»Direkt mit einer Kristallmatrix-KI verknüpft … fähig, Subraumkoordinaten zu berechnen … fähig, Nanotechnik nur mit Gedanken zu steuern … infantil … Fachidiot …«
Skellor öffnete den Mund und wollte selbst etwas sagen, und kristalliner Schaum löste sich dabei von seinen Lippen. Als nichts passierte, nahm er sich von innen her in Augenschein und stellte fest, wie sehr er seinen Menschenkörper vernachlässigt hatte; mit einem bloßen Gedanken leitete er die Reparatur ein. Bald wurde der Mund wieder feucht, und er konnte Zunge und Lippen leichter bewegen. Worte richtig auszusprechen, das wurde jedoch erst möglich, als er auch wieder atmete.
»Warum … sagst du das? Du weißt, was ich mit dir machen kann.«
»Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich …«
»Es stimmt … du hast die Macht, in ungeheuerlichem Maßstab zu vernichten und aufzubauen, und doch besteht dein vorrangiges Ziel darin, einen einzelnen ECS-Agenten zu fangen, damit du zu ihm sagen kannst: ›Sieh mich jetzt an; bin ich nicht clever? Wünschst du dir nicht, du wärst netter zu mir gewesen?‹ … Es ist erbärmlich!«
Skellor drehte den Dschaina-Baum fester um sie, und sie zischte vor Schmerzen, die direkt in ihre Nerven übermittelt wurden.
»Bitte bitte bitte bitte …«
»Dein Bedürfnis zu wachsen ist so stark, Skellor, weil du tatsächlich so klein bist. Dein Bedürfnis, die Gedanken anderer zu steuern, ist so absolut, weil jeder nicht kontrollierte Verstand die Freiheit hat, dich so zu sehen, wie du wirklich bist.«
Skellor hatte auf einmal Angst: ihr Verstand behielt so viel Zusammenhang, obwohl er so viel Qual in ihren Körper pumpte, dass sie sich vorstellen musste, mit weiß-glühenden Skalpellen gehäutet zu werden. Sofort stoppte er das und widmete ihr mit Hilfe der Myzeliumstrukturen eine gründliche forensische Untersuchung. Rasch stellte er fest, dass es diese andere Aphran war, die den Schmerz erlebte: das Tier, das
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