Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
winkte Seánín, die frisches Geschirr aufdeckte, und bedeutete seiner Mutter und Alicia , Platz zu nehmen. „Ihr entschuldigt mich einen Moment. Ich möchte schnell Ean und Bríd begrüßen. Darf ich euch vorher etwas vom Büffet oder einen Becher Bowle holen?“
„Nicht nötig, ich mache das schon .“
Alicia war bereits auf dem Weg und während sie abwinkte, schenkte sie Manuel ein Lächeln, das ihm unter die Haut kroch wie ein Fieber, bis er weiche Knie bekam und nur noch sinnloses Zeug vor sich hin brabbelte.
Verwirrt drehte er sich um und stolperte davon.
„Was war denn das eben?“ Lisas Wangen waren gerötet und ihre Augen glänzten vor Aufregung, als sie Alicia am Ärmel beiseite zog und bedeutungsvoll in die Richtung nickte, in die Manuel verschwunden war.
„Keine Ahnung. Er ist manchmal … Möglicherweise bereitet ihm sein Bein noch Probleme, deswegen macht er mitunter … nun ja, einen unbeholfen Eindruck. Es muss ihn schlimm erwischt haben bei diesem Schiffsuntergang.“
„ Ach so?“ Lisa schien nicht überzeugt von Alicias Erklärung. „Ich befürchte, ihn hat was ganz anderes erwischt. Ich kann nicht glauben, dass dir das entgangen sein sollte.“ Sie hakte sich bei ihrer Freundin unter und dirigierte sie zum Büffet. „Und sonst? Wie findest du ihn? Ist aus ihm nicht ein umwerfend attraktiver Mann geworden? Gerade heute, finde ich, sieht er extrem schnuckelig aus. Irgendwie … erholt. Zufrieden. Und so elegant gekleidet erinnert er mich an Matthias.“
„ Lass ihn das nur nicht hören! Er hasst nichts so sehr wie Vergleiche mit seinem Vater. Ich finde ihn vor allem höflich – jedenfalls meistens. Und er ist außergewöhnlich ehrgeizig und intelligent.“
Außerdem war er ungeduldig, störrisch und unberechenbar. Und er wich hartnäckig allen Gelegenheiten aus, bei denen er anderen Menschen hätte näherkommen können. Was natürlich besonders schade war, da er sich als hervorragender Küsser herausgestellt hatte.
D as allerdings war es nicht wert, aufgezählt zu werden.
„Er macht auch nicht mehr diesen schrecklichen Eindruck eines gehetzten Tieres, das überall Gefahr wittert. Hast du seine Augen gesehen? So herzzerreißend traurig.“ Lisa seufzte. „Es wäre dem armen Kerl aufrichtig zu wünschen, dass er hier Ruhe findet. Obwohl er äußerlich immer cool und gelassen tut, steckt viel mehr hinter seinem Panzer. Scheint ein aufregendes Leben zu sein, das er bisher geführt hat.“
„ Alle Achtung, du hast ihn aber genau beobachtet.“
„Du etwa nicht?“
„Nein. Weshalb sollte ich?“
„ Och , ich dachte mir bloß: Warum …“ Lisa zupfte kichernd an Alicias Ohrläppchen. „Warum wird sie immer dann rot, wenn wir von ihm reden? So hast du schon auf ihn reagiert, als wir noch Kinder waren. Erinnerst du dich, wann du mir zum ersten Mal erzählt hast, du wärst in ihn verliebt? Da hatte er einen Apfel mit dir geteilt.“
„Doch bloß, weil sein Pony das angegammelte Ding verschmäht hat. Vermutlich hatte er gehofft, ich würde mich daran vergiften. Er hat mich gehasst!“, protestierte Alicia, deren Ohren in der Tat in hellen Flammen standen. Sie studierte angelegentlich die Appetithäppchen, die von Maighréad Ní Dhomhnaill auf silbernen Platten angerichtet worden waren und jedes Auge dazu verleiteten, mehr davon zu nehmen, als der dazugehörige Magen vertragen würde.
„Und habe ich dir nicht im selben Atemzug geschworen , mir Damien zu angeln und nicht wieder herzugeben?“
„ Das hast du, in der Tat. Und er liebt dich heute mehr denn je.“
„Das wi ll ich ihm auch geraten haben.“ Lisa pickte eine Mandarine aus dem Obstkorb und begann sie selbstvergessen zu schälen. „Was meinst du, wie lange er bleiben wird? Damien und er scheinen sich allmählich aneinander zu gewöhnen, haben zumindest eine Art Waffenstillstand ausgerufen. Da wäre es eigentlich schade, wenn er gleich wieder das Weite suchen würde. Damien wird es gut tun, endlich mit den Pferden arbeiten zu können. In den letzten Wochen haben ihn die Rechnungsbücher kaum noch schlafen lassen.“
„ Manuel wird sich nicht drängen lassen. Er ist nicht der Typ, der etwas überstürzt oder unbedacht entscheidet. Das sollten wir nicht vergessen und uns in Geduld üben.“
„ Zum Glück sind die zwei intelligent genug einzusehen, dass sie die Probleme auf Sean Garraí auf lange Sicht nicht alleine bewältigen können. So unterschiedlich die beiden charakterlich auch sein mögen, waren sie doch
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