Der Erdrutsch (German Edition)
einmal im Aufenthaltsraum sitzen sehen. Vielleicht hat es ja
etwas damit zu tun, dass sie an einem heiklen Thema gearbeitet hat.“
Sie rannten mit ihrem Fund schnell zum Gasthof. Als sie dort ankamen,
saßen an einem der Tische auf der Veranda zwei Männer. Der eine war
ihr ehemaliger Wirt, Alois Lechner, der andere ein Mann, in dem Johan
den Ortsbürgermeister erkannte. Die beiden unterhielten sich so
angeregt, dass sie die Jungs nicht bemerkten.
„ Ich
habe den Zaun doch gesehen. Der war durchgeschnitten. Eindeutig!“,
sagte der Bürgermeister gerade. Alois Lechner schüttelte den Kopf.
„ Aber
warum?“, fragte er. „Wer tut so was denn?“
„ Erst
der Brand, dann so eine Schweinerei. Der Franz ist ganz schön
gebeutelt.“
„ Ach
der Franz. Der kann da doch jetzt seine Ferienwohnungen bauen ...
Aber warte mal ...“ Alois Lechner kratzte sich am Kopf. „Wenn nun
der Franz ...“ Er sprach nicht weiter.
„ Wenn
der Franz was?“, wollte der Bürgermeister wissen.
„ Nunja,
ich habe dem Franz gesagt, er solle bessere Zäune aufstellen, sonst
...“
„ Sonst
würdest du ihn anzeigen? Wolltest du das sagen? Hör mal, ich war im
Tal und habe gehört, dass du den Franz gerade anzeigen wolltest, als
die Lawine runter ging. Du glaubst doch nicht wirklich, dass er
seinen eigenen Wald angezündet hat? Mensch Alois, mach dich nicht
unglücklich. Das würde der Franz nie tun.“
Die Antwort bekamen Johan und Paul nicht mehr mit, denn sie mussten
weitergehen, wenn nicht auffallen sollte, dass sie lauschten.
„ Hast
du das gehört? Da hast du also recht gehabt. Die Zäune waren
durchtrennt“, flüsterte Paul.
„ Wir
müssen das mit der Zange erzählen“, sagte Johan und blieb stehen.
„ Gar
nichts müssen wir. Nun komm schon, wir haben viel zu tun.“ Paul
zog Johan hinter sich her in ihr Zimmer. Als sie die Tür geschlossen
hatten, schauten sie sich den Laptop genauer an. Er hatte eine Menge
Schrammen abbekommen. Johan versuchte vorsichtig, den Bildschirm
aufzuklappen, aber irgendetwas klemmte. Er versuchte es mit ein wenig
Kraft und plötzlich öffnete sich der Computer mit einem Ruck, er
gab ein knirschendes Geräusch von sich. Das Bild, das sich ihnen
bot, war traurig: Der Bildschirm war mehrfach gerissen, einige Stücke
fielen ihnen entgegen. Enttäuscht setzte sich Johan auf das Bett.
„ Und
nun?“, fragte er. Paul untersuchte den Laptop genau auf weitere
Schäden.
Es klopfte und Pauls Mutter trat ein. Schnell warf Johan seine Jacke
über den Laptop. Sie sah sich neugierig im Zimmer um und fragte die
beiden dann, ob es bei der geplanten Wanderung auf die Muthspitze am
nächsten Tag bleibe. Da sie nichts Gegenteiliges gehört hatten,
nahmen sie an, dass sie wandern würden. Sie entschieden sich, früh
schlafen zu gehen, damit sie am kommenden Morgen ausgeruht waren.
22. Kapitel
Paul schlief in dieser Nacht so unruhig, dass er am kommenden Morgen
schlecht gelaunt war. Noch vor dem Frühstück ging er über den Flur
zu der kleinen Dusche, die sie sich zur Zeit alle teilten. Als er
zurückkehrte, war Johan bereits angezogen und packte seine Sachen
für die Wanderung. Paul wickelte sich aus dem Handtuch, das er um
die Hüften trug und unterhielt sich dabei mit Johan. Da Johan nicht
sofort antwortete, drehte sich Paul zu ihm herum. Johan wandte sofort
den Blick ab. Paul schaute an sich herunter. Er hob den Kopf wieder
und lächelte Johan an:
„ Das
ist dir doch jetzt nicht unangenehm, oder?“ Johan drehte den Kopf
zur Seite, wollte etwas sagen, aber Paul sprach schon weiter: „Das
ist schon in Ordnung. Mir macht das nichts.“ Dann zog er sich
weiter an, während Johan nervös seinen Rucksack zu Ende packte.
Eine Stunde später waren sie unterwegs. Pauls Vater hatte Wort
gehalten und so gingen sie zu viert los. Das erste Stück war
unangenehm zu laufen, denn sie mussten einen großen Umweg um den
Erdrutsch machen. Noch immer waren die Arbeiten im Gange. Es hatte
mehrere kleine Lawinen gegeben, die ineinander verkeilten Trümmer
wurden nach und nach abgetragen, die umgeknickten Bäume standen zum
Teil unter großer Spannung. Sie versuchten das Gebiet möglichst
schnell zu umgehen. Beim Frühstück hatten sie sich entschieden, den
gefährlicheren unteren Weg zu nehmen, der sich am steilen Hang
entlangzog, anstatt den etwas längeren Weg über die Hochebene zu
laufen. Der Grund war vor allem das Wetter der vergangenen Nacht: Es
hatte weit oben geschneit. Somit war nicht ganz klar, ob die
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