Der Erdrutsch (German Edition)
schließlich ´Walter Hochheim` bei Google eingab.
Der Computer spuckte ein paar Informationen aus: Ein paar Bilder von
Walter Hochheim als jungem Schauspieler, ein paar Berichte aus den
achtziger Jahren über seine Rollen als Mephisto und Romeo. Und einen
Bericht über eine Kindesentführung. Schon wollte Johan darüber
hinweg gehen, als er stockte. Hatte er das nicht schon bei Elsbeth
gefunden?
Er klickte den Link an. Er führte zu einem Artikel aus dem Jahr
1991, der im Spiegel erschienen war. Darin wurde über den Prozess
gegen eine Frau berichtet, die ein Kind entführt hatte. Vier Jahre
lang. Die Frau hieß Hochheim. Elsbeth Hochheim. Johan stockte der
Atem. Er las den Artikel immer wieder, aber er war kurz, kaum eine
Spalte lang. Es war die Rede von einem entführten Kind, von dem Hof,
auf dem sie zu zweit gelebt hatten, von zehn Jahren Haft. Einmal
wurde ihr geschiedener Mann kurz erwähnt. Und dann fiel ihm das Buch
ein, das er vor dem Urlaub in der Hand gehabt. Die Kriminalfälle. Da
hatte er Elsbeth also schon einmal gesehen. Wie Schuppen fiel es ihm
von den Augen.
„ Darf
ich gleich mal kurz an den Computer?“ Hinter ihm stand plötzlich
Stefan. „Ach du bist das, ich habe dich gar nicht erkannt“, sagte
er, als Johan sich umdrehte. Sein Gesicht hellte sich auf. „Ich
brauche auch nicht lange. Fünf Minuten, höchstens zehn.“
„ Klar.
Ich bin hier gerade fertig.“ Johan erhob sich. „Was machst du
denn da überhaupt? Was sind das für Bücher auf deinem Tisch.“
Stefan hatte sich vor den Computer gesetzt, in den er ein paar
Begriffe bei Google eingab.
„ Ich
schreibe eine Hausarbeit für die Schule. Und das da drüben sind
gebundene Ausgaben alter Zeitungen. Die brauche ich für meine
Recherchen.“ Er blickte Johan einen Moment an.
„ Darf
ich in die Zeitungen mal reingucken?“, fragte Johan ihn.
„ Mach
das ruhig. Ich komme gleich dazu.“
Johan ging quer durch den Lesesaal zu dem Tisch und beugte sich über
die dicken Bände. Tatsächlich. Tageszeitungen. Uralt, aus dem Jahr
1932. Er blätterte ein wenig darin, während er gleichzeitig auf den
Bildschirm des Computers schielte, um zu erkennen, was Stefan
geschrieben hatte. Aber er verstand nichts davon. Ein paar Minuten
vergingen, dann kam Stefan zu ihm.
„ Ich
bin fertig. Du kannst wieder an den Computer. Und danke nochmal.“
„ Da
nicht für!“ Johan wollte sich gerade umdrehen, als ihm etwas
einfiel.
„ Sag
mal, gibt es hier alle Zeitungen in solchen Bänden?“
„ Nein,
ganz bestimmt nicht alle. Aber sicherlich eine ganze Reihe. Was
suchst du denn?“ Er hatte sich wieder gesetzt und tippte ein paar
Notizen in seinen Rechner.
„ Ich
suche Artikel von 1991. Über einen Prozess. Da hat sicherlich etwas
in den Tageszeitungen gestanden.“
„ Dann
versuch es doch erst mal mit einer der üblichen Tageszeitungen.
Drüben in dem Büro mit der offenen Tür sitzt eine Mitarbeiterin
der Bibliothek, die kann dir sicherlich sagen, ob die etwas da
haben.“ Johan bedankte sich. Zehn Minuten später verließ er die
Bibliothek mit dem Wissen, am folgenden Tag die Zeitungen um zehn Uhr
einsehen zu können.
Zu Hause fand er seine Mutter in der Küche. Sie kochte und teilte
ihm mit, dass sie mit ihm zu ihren Eltern wollte. Mit Übernachtung.
Johan freute sich.
„ Einverstanden“,
sagte er. „Darf ich jetzt noch ein bisschen an den Computer?“
„ Was
machst du denn ständig am Rechner? Ist das für die Schule?“,
wollte seine Mutter wissen.
„ Nein,
ich versuche nur ein paar Dinge über Elsbeth König heraus zu
bekommen. Kanntet ihr die eigentlich vorher schon?“ Er nahm sich
einen Apfel.
„ Ich
habe sie vorher nie gesehen.“ Seine Mutter drehte sich ihm wieder
zu. „Das hat dich sehr mitgenommen, oder?“
„ Naja,
ein bisschen. Ich habe mich einfach gefragt, wer sie eigentlich war.
Und dabei bin ich auf komische Dinge gestoßen.“ Johan kaute an dem
Apfel herum. Seine Mutter blickte ihn erstaunt an.
„ Aha,
das klingt ja spannend. Was hast du denn raus gekriegt?“
„ Das
will ich jetzt noch nicht erzählen. Dafür muss ich noch ein
bisschen im Internet surfen. Du willst doch nicht, dass ich falsche
Dinge in die Welt setze, oder?“
„ Na,
dann geh mal. Ich bin sehr gespannt, was du herausbekommen hast. Aber
gleich will ich noch zu Opa und Oma. Es wäre schön, wenn du
mitkommst.“
Johan ging in sein Zimmer, wo er seinen Computer hoch fuhr. Diesmal
wusste er genau, was er suchte: den Artikel im Spiegel.
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