Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
Vom Netzwerk:
gut sie es vermochten, mit den Elfenbeinmarken, die unter den Händlern des Inselreichs in Umlauf waren. Er hatte nur zehn davon genommen, obwohl sie ihm mehr geben wollten. Diese bot er nun dem Mann von Osskil an, aber der schüttelte den Kopf. »Diese Marken benutzen wir nicht. Wenn Sie nichts anderes zu zahlen haben, kann ich Sie nicht mitnehmen.«
    »Brauchen Sie noch Ruderer? Ich habe Erfahrung, ich habe schon auf einem Schiff gerudert.«
    »Ja, das wäre möglich. Uns fehlen zwei Leute. Suchen Sie sich Ihren Platz auf der Bank«, sagte der Kapitän und kümmerte sich nicht weiter um Ged.
    So kam es, daß Ged, nachdem er seinen Stab und seine Bücher unter dem Sitz verstaut hatte, zehn bittere Wintertage lang Ruderer auf diesem Schiff des Nordens wurde. Bei Tagesanbruch verließen sie Orrimy, und an diesem ersten Tag war Ged fast sicher, daß er den Anstrengungen nicht gewachsen sein würde. Sein linker Arm war von den alten Wunden in der Schulter etwas gelähmt, und obwohl er viel in den Kanälen von Untertorning herumgerudert war, so konnte man dieses Vergnügungsrudern doch kaum vergleichen mit dem anstrengenden, unaufhörlichen Ziehen an der langen Ruderstange zum gleichmäßigen Takt der Trommel. Alle zwei bis drei Stunden wurden sie von einer neuen Schicht abgelöst, aber das Ausruhen schien Ged gerade lang genug zu dauern, um seine Muskeln völlig erstarren zu lassen, bevor es ans Weiterrudern ging. Der zweite Tag war fast noch schlimmer als der erste, aber dann gewöhnte er sich an die harte Arbeit, und sie fiel ihm etwas leichter.
    Die Geselligkeit, die auf der Schatten die Fahrt nach Rok damals so unterhaltend gemacht hatte, fehlte auf diesem Schiff. Die Männer, die auf gontischen oder andradischen Schiffen arbeiten, sind am Gewinn beteiligt und arbeiten auf einen gemeinsamen Gewinn hin. Die Handelsschiffe von Osskil dagegen verwenden Sklaven oder Lehnsleute, oder sie stellen Leute ein, denen sie ihre Löhne in kleinen Goldstücken auszahlen. Gold gilt nämlich als etwas ganz Besonders in Osskil. Aber das Gold macht sie nicht froh, und es kommt nie eine Kameradschaftlichkeit unter ihnen auf, genausowenig wie unter den Drachen, die ja ebenso goldgierig sind. Da die Hälfte der Mannschaften aus Unfreien bestand, die zur Arbeit gezwungen wurden, waren die Vorgesetzten meist nichts anderes als Sklaventreiber, die sich keineswegs durch Milde auszeichneten. Ihre Peitschen vermieden zwar die Rücken der Leute, die für Besoldung ruderten, aber zwischen Menschen, die ausgepeitscht und solchen, die davor verschont werden, kann keine Freundschaft aufkommen. Sie redeten nur sehr wenig untereinander, und mit Ged sprachen sie überhaupt nicht. Die meisten kamen aus Osskil und sprachen kein reines Hardisch wie am Innenmeer, sondern hatten ihren eigenen Dialekt. Es waren meist mürrische Gesellen mit bleichen Gesichtern, dünnen schwarzen Schnurrbärten und fettigem Haar. Ged nannten sie Kelub, übersetzt heißt das ›der Rote‹. Obwohl sie wußten, daß er ein Zauberer war, erwiesen sie ihm keinerlei Respekt, sondern waren eher auf eine heimtückische Weise gehässig. Ihm selbst lag nichts daran, Freunde zu gewinnen. Selbst wenn er auf der Bank saß und an dem gewaltigen Rhythmus des Ruderns teilnahm, einer unter sechzig, die das Schiff pfeilschnell über das öde graue Meer dahinjagten, selbst dann fühlte er sich seinem Schicksal schutzlos preisgegeben. Kamen sie abends in einen fremden Hafen, so wickelte er sich todmüde in seinen Umhang und versuchte zu schlafen, aber gequält von Träumen wachte er immer wieder auf. Es waren schlimme Träume, an die er sich, wenn er wach wurde, nicht mehr erinnern konnte, aber sie schienen mit dem Schiff und den Menschen auf dem Schiff zusammenzuhängen, so daß er jedermann gegenüber mißtrauisch war.
    Die Freien auf Osskil trugen lange Messer an der Seite, und eines Tages, als Ged mit seiner Schicht zu Mittag aß, fragte ihn einer: »Was bist du, Sklave oder Eidbrüchiger?«
    »Keines von beiden.«
    »Warum hast du dann kein Messer? Bist du zu feige zum Kämpfen?« höhnte der Mann, der Skihor hieß.
    »Nein.«
    »Kämpft dein kleiner Hund für dich?«
    »Otak«, sagte einer der Zuhörer, »ist nicht Hund, ist Otak.« Und er fügte etwas auf Osskilisch hinzu, worauf sich Skihors Gesicht verdunkelte und er sich zur Seite drehte. Als er sich abwandte, glaubte Ged in seinem Gesicht eine Veränderung wahrzunehmen, ein Verzerren und Verziehen der Miene, als ob etwas in ihm vor

Weitere Kostenlose Bücher