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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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Laut hervorzubringen. Blut quoll ihm aus dem Mund.
    Weinend drückte Edwin noch fester zu, versuchte in letzter Verzweiflung das Blut zu'stillen.
    »Verraten«, krächzte Morcar, und für einen Moment blitzten seine blauen Augen auf. »Man hat uns verraten, Edwin.«
    Edwin wollte ihm sagen, er dürfe nicht reden und blickte in seine glanzlosen Augen. Leere, wo eben noch der Lebensfunke geblitzt hatte … Leblos.
    »Gütiger Gott, nein!« schrie Edwin in den Himmel und schüttelte in ohnmächtiger Drohgebärde die Faust. Dann schloss er seinen Bruder in die Arme, wiegte ihn sanft wie ein Kind und schluchzte haltlos.
    Er wusste, dass er fliehen musste, sonst war sein Leben verwirkt. Doch seine Trauer, sein Schmerz waren zu groß.
    Er brachte die Kraft nicht auf, Morcar zu verlassen. Durch den Schleier seiner heißen Tränen blickte er in das geliebte Gesicht seines Bruders. Morcars Züge waren grimmig und bitter im Tod – hatten nichts mehr von dem unbeschwerten, lachenden jungen Burschen an sich, der er gewesen war. Der Schmerz stach Edwin wie eine Dolchspitze ins wunde Herz. Nur wenige Augenblicke, nachdem er seine Männer in die Festung des Feindes geführt hatte, war er gemeuchelt worden.
    Verrat.
    Edwins Tränen versiegten. Den Rest seines Lebens würde er damit verbringen, den Mann zu finden, der seinen geliebten Bruder auf dem Gewissen hatte.
    Er erhob sich, mit Morcar in den Armen. Er konnte ihn nicht zurücklassen, ebenso wenig wie es ihm möglich gewesen war, Ceidre zurückzulassen. Er machte einen Schritt, als die kalte Stimme Rolfe von Warennes ihn zurückhielt.
    »Halt!« befahl der Normanne mit gezücktem Schwert. »Du bist mein Gefangener. «
    Edwin blickte in die kalten blauen Augen seines Todfeindes.
    Dann erst bemerkte er, dass er von einem Kreis normannischer Ritter umzingelt war. Edwin drückte den Leichnam seines Bruders enger an die Brust und schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter. Das war das Ende.
    Er war besiegt. Aelfgar war verloren. Es war vorbei.

Kapitel 59
    »Kannst du kommen, Herrin?« fragte die alte Frau ängstlich.
    Ceidre schlang den Umhang enger um sich. Es war Anfang Januar, und letzte Nacht war das walisische Dorf Llefewellyn von einem heftigen Schneesturm eingeschneit worden. Sie verstand den keltischen Dialekt der Dorfbewohner nur schlecht, doch dieser Satz war ihr vertraut. Sobald ihr Wissen um Kräuter und ihre Heilkraft entdeckt worden waren, erhielt sie häufig Bitten wie diese. »Ja, gern«, sagte sie leise.
    Die ausgemergelte, grauhaarige Alte betrachtete die schöne Sächsin und wunderte sich wie alle Dorfbewohner, warum die Trauer nicht aus ihren Augen wich. Welche Schande, dass diese schöne Frau so furchtbar traurig war.
    Niemand wusste viel über sie, nur dass Hereward sie eines Tages im Haus seines Vetters untergebracht hatte. Dann war er wieder fortgeritten, um seine nicht enden wollenden Kriege zu führen. Die Frau war hochschwanger, ihr Leib wölbte sich unter ihren Gewändern, ihre Brüste waren prall und von Milch schwer. Ihr rechter Augapfel, der gelegentlich nach außen wanderte, hatte den Bewohnern anfänglich Angst eingejagt. Doch mit der Zeit hatten sie gemerkt, dass sie gütig und freundlich war. Und Hereward war ein großer Held; schon deshalb wurde die Frau, die sein Kind unter dem Herzen trug, ohne Feindseligkeit en in ihrer Mitte aufgenommen. Obwohl sie den ›bösen Blick‹ zu haben schien, brachte man ihr ein gewisses Maß an Gastfreundschaft entgegen. Ihre Trauer würde erst schwinden, dachte die Greisin, wenn ihr Mann endlich nach Hause käme.
    Ceidre begleitete die alte Frau in ihre Hütte, versorgte ihren Ehemann, der unter Hustenanfällen litt, mit Salbe und Kräutertee, und wurde für ihre Dienste mit einem Laib Brot und einem Stück geräucherter Rinderzunge belohnt.
    Auf dem Heimweg bildete sich beim Anblick der windschiefen Hütte, in der sie hauste, ein Knoten in Ceidres Kehle.
    Sie zog den Umhang enger um die Brust, die im nunmehr siebenten Monat ihrer Schwangerschaft schmerzte.
    Würde sie ihre Heimat je wiedersehen?
    Sie wusste, dass dieser Wunsch vergeblich war.
    Von Hereward hatte sie am Abend nach der Schlacht erfahren, was geschehen war: Morcar war gefallen, Edwin gefangengenommen, Albie ein Verräter. Sie hatte wochenlang um Morcar geweint, den schönen, blauäugigen, kühnen Morcar. Wie grausam das Schicksal doch zuschlug. Die Besten mussten früh ihr Leben lassen. Später waren weitere Nachrichten zu ihr durchgedrungen.

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