Der Eroberer
ihn. Wenn du deine Macht nicht auf die Probe stellst, wirst du nie wissen, wie weit du gehen kannst.
Entschlossen trat Alice an seine Tür und lauschte. Nichts war zu hören, kein Keuchen, kein Stöhnen. Und dann schoss ihr ein anderer Gedanke durch den Kopf. Was war, wenn ihre verhasste Schwester 'ihren Bräutigam ermordet hatte?
Ein solches Verbrechen traute sie Ceidre ohne weiteres zu, da sie Edwin und Morcar unerschütterlich die Treue hielt.
Entschlossen stieß Alice die Tür auf. Lautes Schnarchen empfing sie.
Und Ceidre fuhr erschrocken von einer offenen Truhe hoch.
»Was tust du da?« verlangte Alice zu wissen und blickte zum Bett hinüber, wo Rolfe in Hose und Hemd bekleidet ausgestreckt auf dem Bett lag und schlief. Sie hatten es also nicht wie die Tiere miteinander getrieben. Alice war beinahe enttäuscht. »Hast du ihm Gift gegeben?«
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete Ceidre ruhig und schloss den Deckel der Truhe. »Er ist betrunken eingeschlafen. Ich habe nur nach einer zweiten Decke für ihn gesucht.«
»Du verlogene Hure! Verschwinde! Ich weiß, warum du hier bist.« Alice zitterte vor Wut, Tränen verschleierten ihr den Blick. »Du wolltest ihn verführen, ihm so lange schmeicheln, bis er Morcar freilässt!«
»Das ist nicht wahr!« entgegnete Ceidre mit erzwungener Ruhe. »Ich wollte ihn nur bitten, mir diesen Wachhund Guy vom Hals zu schaffen. Alice … « Ihre Stimme senkte sich zu einem verschwörerischen Flüstern. »Wir in müssen Morcar helfen.«
»Du bist verrückt«, schrie Alice und rannte zur Tür. »Guy«, rief sie zur Stiege hinunter. »Guy, kommt schnell, diese Hexe hat unseren Herrn vergiftet!«
Ceidre stand starr.
Kurz darauf erschien Guy mit verstörtem Gesichtsausdruck. Ihm auf den Fersen waren Beltain, zwei andere Normannen und Athelstan. Alle rannten zum Bett.
»Ich habe ihm nichts getan«, verteidigte Ceidre sich aufbrausend. »Er ist betrunken!«
Guy packte Rolfe an den Schultern und rüttelte ihn »Sie hat ihn mit einem Hexenkraut vergiftet«, kreischte Alice.
»Guy, ich befehle Euch, werft sie ins Verlies zu ihrem Bruder. Sie hat Hochverrat begangen.«
Guy rüttelte Rolfe noch kräftiger, der sich ächzend und nur mit Mühe aufrichtete und benommen in die Gegend blinzelte. »Was ist denn los?« brummte er mit belegter Stimme.
»Mylord, wie fühlt Ihr Euch?« fragte Guy besorgt. »Hat sie Euch vergiftet?«
Rolfes verschwommener Blick wurde klarer, dann lachte er. »Nein, nicht vergiftet«, murmelte er und sank in die Kissen zurück. »Verhext, Guy, verhext… Lass mich schlafen.«
»Ich glaube, er ist wirklich betrunken«, meinte Guy verwirrt. »In diesem Zustand habe ich ihn noch nie gesehen.«
»Er trank zwei Krüge zum Nachtmahl«, sagte Athelstan. »Und ich sah, wie die Magd ihm einen weiteren Krug heraufbrachte – und später noch einen. Lasst ihn seinen Rausch ausschlafen.«
Alice errötete unter Athelstans eindringlichem Blick. »Ich wollte meinen Herrn nur beschützen«, stammelte sie.
»Was hätte ich anderes denken können, als ich ihn in diesem Zustand vorfand und sie seine Truhen durchwühlte.«
Guy blickte Ceidre scharf an. »Was habt Ihr gesucht, mein Fräulein?«
»Eine Decke.« Sie zuckte mit den Schultern. »Seht doch selbst. Er liegt auf dem Bettzeug, und die Nacht ist kühl.«
»Ich kümmere mich um ihn«, verkündete Alice schneidend. »Verschwinde«, fuhr sie Ceidre scharf an. »Und betrete diese Kammer nie wieder!«
Ceidre konnte nur einen klaren Gedanken fassen: All ihr Pläne waren zunichte gemacht.
Zumindest für diese Nacht.
Die grelle Sonne weckte ihn, stach ihm in die Augen.
Rolfe stöhnte. Und dann überfielen ihn rasende Kopfschmerzen. Ihm war, als schmettere ihm jemand unablässig einen Felsbrocken an den Hinterkopf. Er richtete sich auf, widerstand nur mühsam dem Drang, wieder zurückzusinken und weiterzuschlafen.
Gestern Nacht hatte er sich völlig betrunken. Und heute war sein Hochzeitstag. Er stöhnte erneut laut auf und barg das Gesicht in den Händen. Er konnte sich an alles erinnern – an fast alles.
Beim Nachtmahl hatte er zu trinken begonnen und sich grimmig zu Morcars Verhaftung gratuliert. Der Wein hatte nach dem langen, kräftezehrenden Zweikampf rasch seine Wirkung getan. Er hatte sich nicht erklären können, warum seine Stimmung so düster und schwermütig war, da er doch hätte triumphieren sollen. Er hatte an Wilhelms Versprechen gedacht, ihn mit dem Lehen Durham zu belohnen, wenn er ihm Edwin
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