Der Eroberer
sein schwarzer Umhang wallte ihm um die Schultern. Die rote Unterseite ließ Alice an Blut denken.
»Mylord, erlaubt mir noch eine Frage«, sagte Alice mit hoher Stimme.
Er nickte gnädig.
»Ich denke, es ist Zeit, Ceidre zu verheiraten. Vielleicht an einen Bauern oder den Aufseher.«
Rolfes Gesicht blieb ohne Ausdruck, nur seine Augen funkelten. Alice legte ihm die Hand auf den Ärmel und fuhr beschwörend fort: »Es wäre für uns alle das Beste.«
»Ich denke darüber nach«, entgegnete er knapp.
»Gott sei mit Euch, Gebieter«, sagte Alice höflich.
»Mit Euch auch.« Rolfe wandte sich brüsk ab und stieg auf den Hengst, der sogar nach seinem Herrn trat. Rolf schlug ihm mit der flachen Hand kräftig gegen den Hals, worauf das Tier ruhig wurde. Der Tross Berittener verließ den Hof, umweht von den Bannern in Rolfe von Warennes Farben: Rot, Schwarz und Königsblau.
Alice raffte den Rock und rannte eilig die Stiege hinauf. Wie erhofft, machte sich zu der frühen Morgenstunde noch keine Magd in der großen Kammer zu schaffen. Mit ihrem Messer, das sie zum Essen benutzte, schnitt sie sich beherzt in den kleinen Finger, ließ das Blut auf das Laken tropfen und lächelte dabei.
Dann beschmierte sie die Innenseiten ihrer Schenkel mit Blut und rief nach einer Magd, um ihr ein Bad zu bereiten.
Die Blutflecken auf dem Laken waren nicht zu übersehen, und die Magd, die ihr beim Baden half, würde die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreiten. Die Ehe war in dieser Nacht vollzogen worden.
Ceidre erwachte zu ihrem Befremden mit Gewissensbissen. Sie erinnerte sich so lebhaft an den Traum, als sei er Wirklichkeit gewesen – ihr war, als spürte sie seinen warmen, muskulösen Körper noch, wie er sie zärtlich in den Armen gehalten und in ihrem Schmerz getröstet hatte. Sie wollte nicht aufwachen, wollte weiter schlafen -und weiter träumen.
Doch die Nacht umfing sie nicht mehr mit samtschwarzen, tröstlichen Armen. Sie war wach, und das Sonnenlicht strömte durchs Fenster. Mit dem Licht überflutete sie die hässliche Wirklichkeit. Ceidre drehte sich vorsichtig zur Seite und stöhnte, als die blutig durchstriemte Haut an ihrem Rücken sich spannte, der Beweis dieser Wirklichkeit.
Was bist du für eine Närrin! schalt sie sich. Dieser Mann ist zu keiner Zärtlichkeit fähig. Er ist ein Ungeheuer, dein Feind, der dich auspeitschen ließ. Du bist verrückt, so von ihm zu träumen.
Ihr war heiß, sie schwitzte und fieberte. Das hast du ihm zu verdanken, dachte sie bitter, um ihren Traum zu vergessen.
Aus dem Ehegemach drang die Stimme einer Magd herüber, die einen zotigen Gassenhauer sang, während sie die Betten aufschüttelte. Seufzend stützte Ceidre sich auf den Ellbogen und griff nach dem Wasserkrug. Er war leer.
Sie hatte großen Durst, hatte Schmerzen, sie fieberte und war unendlich müde. Sie sackte wieder auf den Bauch, legte den Kopf in die Armbeuge und bemühte sich, die Reste ihres Traumes zu vertreiben. Er war so lebensnah gewesen.
Sie hörte Schritte auf der Stiege, ohne darauf zu achten. Sie döste wieder ein, fragte sich benommen, wann ihre Großmutter käme, um nach ihr zu sehen – und sie fragte sich törichterweise, ob er wieder an ihr Krankenlager kommen würde. Die Mädchen kicherten und plapperten im Nebengemach. Eine von ihnen erwähnte den Normannen und kicherte wieder. Ceidre horchte auf.
»Er soll ein wollüstiger Mann sein, habe ich gehört«, sagte Mary.
»Wenn er so wollüstig ist, wieso hat er keine von uns angefasst, seit er hier ist?« beschwerte sich Beth. »Gütiger Himmel, den Tag in Kesop werde ich nie vergessen -er ist so stark gebaut … «
Ein lebhaftes Bild stand Ceidre vor Augen. Sie sah, wie der Normanne sein Becken in Beth trieb, mit dunklem, angestrengtem Gesicht, sein riesiges Glied rot angeschwollen und feucht.
»Es würde Lady Alice, kränken«, meinte Mary. »Deshalb fasst er keine von uns an. Das kommt schon noch.«
»Wenn du mich fragst, ist es eine größere Kränkung, dass er sie in der Hochzeitsnacht nicht beschlafen hat«, entgegnete Beth. »Wenn ich in seinem Bett gelegen wäre, hätte er die ganze Nacht kein Auge zugetan!«
Ceidre richtete sich auf. Sie sollte nicht lauschen und tat es dennoch. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte – es konnte nicht wahr sein. Selbst wenn es wahr wäre, wieso schlug ihr Herz so schnell? »Beth, Mary, kommt mal rüber«, rief sie.
Die beiden Mädchen traten schüchtern ein. Mary trug einen Arm voll
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