Der erste Verdacht
schwer. Der Deckel saß recht fest, aber nach einigem Herumprobieren ließ er sich abheben.
Ein Blick in das Dunkel des Urneninneren genügte, um das Vitaminröhrchen auf ihrem Boden erkennen zu können.
Freundlich, aber unerbittlich gelang es Tommy, Sanna davon zu überzeugen, dass sie in ihrem erregten Zustand nicht Auto fahren konnte. Sie entschieden, dass er sie nach Askim bringen würde. Irene hegte den Verdacht, dass er es sich nicht entgehen lassen wollte, einmal ein Mercedes Cabrio zu fahren. Sie hätte auch nichts dagegen gehabt, einmal hinter dem Steuer eines solchen Autos zu sitzen. Als ihr Tommy die Schlüssel für ihren beträchtlich bescheideneren Dienstwagen übergab, nutzte er gleichzeitig die Gelegenheit, ihr die Schlüssel zu Kjell Bengtsson Ceders Wohnung auszuhändigen. Das war sicherlich klug. Während er Sanna ablenkte, musste Irene die Schlüssel Elsy zurückgeben, ohne dass diese allzu sehr darauf achtete. Am besten wäre, wenn sie es sofort vergäße und es auch Sanna gegenüber nicht erwähnte.
Tommy folgte dem Verkehrsstrom Richtung Westen. Es bereitete Irene keinerlei Mühe, dem Wagen zu folgen. Sie kannte die Strecke in- und auswendig, da sie sie fünfzehn Jahre lang täglich gefahren war.
In den letzten Stunden hatten sich erstaunliche Dinge ereignet, über die sie erst einmal nachdenken musste. Reichte es wirklich, einen abgetrennten Finger zu verschicken, um jemanden zu erpressen? Wahrscheinlich nicht. Das Risiko, dass einer der Betroffenen zur Polizei ging, war zu groß. Andererseits setzte das voraus, dass die besagte Person nichts zu verbergen hatte. Dem Finger musste also die Drohung gefolgt sein, etwas zu enthüllen. Die Finger sollten der Drohung nur Nachdruck verleihen. Was hatten die Leute, die in diesen Fall verwickelt waren, zu verbergen?
Es ging um Betrug. Um Millionensummen. Es gab sicher viele Leute, die sich nach dem ph.com-Konkurs von dem Trio Bonetti, Bergman, Kaegler betrogen fühlten. Bonetti und Rothstaahl hatten skandinavische Unternehmen um große Summen geprellt, als sie als Anleger von Pundfix auftraten. Rothstaahl und Bergman hatten jetzt in Paris ein ähnliches Unternehmen gegründet. Wie viele Leute hatten sie bereits betrogen? Bonetti wurde beschuldigt, vor dem Konkurs bei ph.com mehrere Millionen unterschlagen zu haben, aber wie verhielt es sich mit Sanna und Philip? Die beiden hatten den IT- Crash seltsam unbeschadet überstanden. Beide hatten vor drei Jahren noch viel Geld besessen. Dann waren die Finger in den Plastikröhrchen aufgetaucht, und vier Personen hatten gezwungenermaßen mit ihren Zahlungen begonnen.
Warum hatte Philip Bergman keinen Finger erhalten? Alles deutete darauf hin, dass er ebenfalls erpresst worden war. Auch sein Vermögen war rasch zusammengeschmolzen. Dasselbe galt für Joachim Rothstaahl.
Und wieso war plötzlich ein Finger bei diesem Edward Fenton aufgetaucht? Er war Bankchef bei einer Investmentbank. Die Leute, die hier Geld anlegten, wussten, dass sie Risiken eingingen. Dass gewisse Projekte schief gingen, gehörte zum Spiel, wenn Irene die Sache recht verstanden hatte. Warum war er dann plötzlich ein interessantes Erpressungsopfer? Aus demselben Grund wie die anderen: Er hatte etwas zu verbergen.
Aber hier drückte der Schuh. Für fünf Erpressungsopfer brauchte man fünf Finger, aber es gab nur vier.
Es war höchste Zeit, mit Edward Fenton Kontakt aufzunehmen.
Sie hatten Glück. Elsy kam ihnen ängstlich entgegen. Sie rang wie immer die Hände.
»Ludwig hat Magenschmerzen. Er schreit und hat … Durchfall«, sagte sie atemlos.
Lautes Brüllen unterstrich ihre Behauptung. Sanna eilte ins Haus, um ihrem Sohn beizustehen.
Irene wandte sich mit einem Lächeln an Elsy und überreichte ihr den Schlüsselbund.
»Sanna war in der Wohnung, wir brauchten den Schlüssel also gar nicht«, sagte sie.
»Ach. Nein. Ich meine … wie praktisch«, antwortete Elsy geistesabwesend.
Sie öffnete die Tasche mit dem Blumenmuster und ließ die Schlüssel hineinfallen.
»War der Junge heute Morgen schon krank?«, fragte Tommy.
»Ja. Er ist schon mit Magenschmerzen aufgewacht. Der Ärmste … er wollte auch nichts trinken. Hat nur geschrien. Ich habe ihm mehrfach die Windel gewechselt.«
Sie standen einen Augenblick in der Diele, und Elsy erzählte von der Pflege ihres Enkels. Als sie sich schließlich verabschiedeten, schien Elsy die Schlüssel vollkommen vergessen zu haben.
»Wie kommen wir an diesen Edward Fenton
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