Der erste Verdacht
Haustürschlüssel befestigt. Als ihr Bonettis Mutter den Schlüssel überreicht hatte, hatte sie ihr auch gesagt, dass weder sie noch ihr Mann seit Thomas’ Verschwinden dort gewesen seien. Thomas hatte eine ältere Schwester, aber auch diese war mit ihrer Familie im Herbst nicht auf Styrsö gewesen.
Irene und Tommy froren so sehr, dass sie kaum noch etwas spürten, als sie das Haus endlich erreichten. Im Inneren war es kaum wärmer als draußen, aber zumindest wehte dort kein Wind. Das Haus war sehr niedrig, jedoch recht geräumig. Es lag weit oben zwischen den Klippen, und selbst an einem solchen Tag war die Aussicht über das Meer großartig. Der Wind peitschte, und das schwarze Wasser zwischen Schären und Untiefen schäumte. Durch den Schnee konnten sie gerade noch die Felseninselchen südöstlich und südlich von Styrsö ausmachen.
Sie hatten das ganze Haus peinlich genau durchsucht. Nicht das Geringste deutete darauf hin, dass Thomas Bonetti allein oder in Gesellschaft dort gewesen war. Nichts wies auf Gewalttätigkeiten hin, alles war sehr ordentlich.
Sorgfältig schlossen sie das Haus wieder ab und begaben sich widerstrebend erneut in die Kälte. Die Fähre nach Hause legte von Styrsö Brätten ab, was bedeutete, dass sie sich noch ein Weilchen dem Gegenwind aussetzen mussten. Nie hatte ihnen Kaffee besser geschmeckt als der, den sie in Pappbechern im Café auf der Fähre bekamen! Irene hätte am liebsten einen ganzen Bottich davon bestellt, nicht um das dampfende Gebräu zu trinken, sondern um ihre erfrorenen Füße darin aufzutauen.
»Bonetti! In dieser Sache haben wir doch vor mehreren Jahren ermittelt! Er ist immer noch wie vom Erdboden verschluckt. Was hat er mit diesen Morden zu tun?«, fauchte Andersson.
»Sanna Kaegler, Philip Bergman und Thomas Bonetti haben zusammen das IT-Unternehmen ph.com gegründet. Beim Konkurs verschwanden ungeheure Summen. Ihr erinnert euch doch noch an die Schlagzeilen?«, sagte Tommy.
Voilà, hier war die Verbindung. Jetzt passte alles zusammen, und Irene erinnerte sich auch an Bergman-Kaegler. Sie waren ein Begriff, eine Marke gewesen. Als Tommy und sie einige Tage lang Thomas Bonettis Verschwinden nachgegangen waren, war ph.com nur am Rand aufgetaucht. Die IT-Blase war im Frühjahr 2000 geplatzt. Im September, als Bonetti verschwand, war sie bereits Vergangenheit gewesen. Er hatte noch mehr zwielichtige Geschäfte auf dem Gewissen, die alle einen guten Grund dafür abgegeben hätten, unterzutauchen. Falls er es nun freiwillig getan hatte. Da Bonetti nichts von sich hören ließ, tauchten mit der Zeit Gerüchte auf, er habe sich in den USA von einem Schönheitschirurgen ein neues Aussehen verpassen lassen. Man wollte ihn in Miami, beim Schnorcheln in Ägypten, auf einer Luxuskreuzfahrt im Mittelmeer und in einem Sexclub in Paris gesehen haben. Irgendjemand meinte, er hätte ihn gesehen, wie er in Kopenhagen mit einem Zwillingskinderwagen spazieren gegangen wäre. Nichts davon hatte sich bewahrheitet. Mit dem Aussehen von Thomas Bonetti konnte man sich nicht gut verstecken, auch nicht nach einer plastischen Operation. Bei seinem Verschwinden war er einunddreißig Jahre alt gewesen, ein Meter Sechsundsechzig groß und hatte etwa hundert Kilo gewogen. Er hatte eine beginnende Glatze und kämmte sich gewöhnlich ein paar Strähnen, die einen Pony darstellen sollten, in die Stirn. Er hatte rötliches Haar, sehr helle Haut und wässrige, hellblaue Augen hinter starken, runden Brillengläsern. So sah er zumindest auf den verschiedenen Fotos aus, die von ihm veröffentlicht worden waren. Der Hinweis, er habe seine Augenfarbe mit Hilfe gefärbter Kontaktlinsen verändert, konnte rasch entkräftet werden. Seine Eltern sagten nämlich, dass er nie irgendwelche Kontaktlinsen hätte tragen können. Seine Augen seien zu empfindlich. Sie hatten auch nie den Gerüchten geglaubt, er halte sich an einem warmen und sonnigen Ort auf. Thomas vertrug die Sonne nicht und verabscheute Wärme.
Seine Konten, auf die die Ermittler bei schwedischen und englischen Banken stießen, waren am Tag nach seinem Verschwinden geplündert worden. Insgesamt fünf Millionen schwedische Kronen waren an eine Bank in Luxemburg und von dort direkt auf ein Konto auf den Cayman Islands überwiesen worden. Dort verloren sich alle Spuren.
Fünf Millionen reichten lange, aber es war auch teuer, sich zu verstecken. Wenn Bonetti sein Geld ebenso schnell ausgegeben hatte wie in den glorreichen Tagen, war er
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