Der erste Versuch
beschieden wäre. „Denk
an die Sendezentrale“, hatte die Creff gemahnt. „Der
neuralgischste Punkt überhaupt!“ Und sie hatte ihm eine
handtellergroße Dose überreicht mit den Worten: „Geh damit
äußerst vorsichtig um. Es sind so genannte Halblebewesen,
etwas ganz Neues! Sie fressen Beläge von Chips – nur, sie
müssen unmittelbar dorthin gelangen, wo Chips sind. Also:
Lass dir etwas einfallen!“
Der Wink war wohl unübersehbar – allein, wie sollte man in
die Zentrale gelangen! Natürlich wussten auch die Narad und
der gesamte Sicherheitsstab, dass gerade diese Anlage eines
besonderen Schutzes bedurfte. Neuerdings wurde der Bau, in
dem sich die Sendezentrale befand, rund um die Uhr von
einem Kordon umstellt; alle fünf Meter stand nachts ein
Bewaffneter, obwohl es eine Anzahl raffinierte technische
Alarmeinrichtungen gab.
Doch mit einem Mal tat sich ein Weg für Milans Absichten
auf: Die Kabel zu den neuen Masten mussten eingeschleift
werden, und die Schiene, auf die sie mündeten, befand sich
naturgemäß in der Sendezentrale.
Milan wählte zwei zuverlässige Kollegen; denn
selbstverständlich wurde, einschließlich Leibesvisitation,
kontrolliert.
Er präparierte eine gängige, durch Reklame bekannte
Bonbondose, indem er einen doppeltem Boden bastelte, lud in
die untere Etage etliche der Chipsfresser, obenauf
Eukalyptuskullern und bot von diesen während der
Untersuchung dem Kontrolleur an. Und der langte zu.
Alles Weitere gestaltete sich verhältnismäßig problemlos:
Die Kabelschiene verlief ohnehin hinter den Steuercomputern,
und es ging eng zu, sodass der zugeteilte Aufpasser längst
nicht alle Handlungen einsehen konnte. Außerdem wurde
diesem der Posten beizeiten langweilig, er begann
umherzuwandern, vernachlässigte so minutenlang seine
Aufgabe.
Milan streute verstohlen gegen Ende der Kabelarbeiten
etliche der silberfischähnlichen Würmchen in unmittelbare
Nähe der Belüftungsschlitze einiger der Prozessoren, und er
staunte, wie die Kleinen plötzlich mobil wurden und flink in
den Gehäusen verschwanden. Dann zog er sich mit seinem
Team zurück. Es würde einige Tage dauern, hatte die Creff
ihm erklärt, bis sich Wirkung zeigte. In dieser Zeit würden
noch manche Handwerker und andere Leute die Zentrale
aufsuchen, sodass es trotz aller Kontrolle schwer fallen dürfte,
hegte man den Verdacht auf Sabotage, den Schuldigen
herauszufiltern.
Milan gönnte sich zum Feierabend eine Flasche kroatischen
Roten, verkniff sich jedoch eine Erfolgsmeldung an die
Zentrale – je weniger, desto besser –, ließ sich in Mediatrance
versinken und amüsierte sich später an Thomas Manns „Felix
Krull“. Er war mit dem Tag und sich sehr zufrieden.
15. Kapitel
Alina Merkers’ Wohlbefinden beeinträchtigten zwiespältige
Gefühle. Einerseits hatten ihr die Stunden auf Unije, die
Stunden mit dem Manne gut getan, insbesondere am Beginn
des Treffens, als sie meinte, es sei Milan, ihr Milan. Aber auch
jetzt, da sie überzeugt war, er sei es nicht – „wirklich?“, fragte
sie sich allzu oft –, bereute sie nichts. Schwerwiegender und
beängstigend zugleich aber blieb die unbeantwortete Frage –
wenn nicht Milan, wer dann? „Und weshalb, das ist der Punkt,
hat er mitgespielt? Ist er lediglich ein Mensch mit rascher
Auffassung, der die Gelegenheit am Schopf fasste, ein, naja,
halbwegs attraktives Weib ins Bett zu kriegen?“ Diese
Unterstellung aber wollte Alina nicht aufrechterhalten; allzu
rücksichtsvoll und zartfühlend hatte sich dieser Mann gegeben.
Was aber hat dieser Milan mit Milan zu tun – die frappierende
Ähnlichkeit…
„Niemals hat der ,alte’ Milan von einem Bruder, einem
Zwillingsbruder gesprochen – im Gegenteil behauptet, er habe
keine Geschwister.“
Und da, auf den Bett in ihrem Pulaer Hotelzimmer lümmelnd,
kam Alina der unheilvolle Gedanke: „Ein Klon! Dieser Milan
auf Unije ist ein Klon, eine wohl gelungene Kopie. Jemand hat
darauf geachtet, dass die körperliche Entwicklung nicht von
der des Unikats abweicht. Und im Wesen?“ Alina fielen die
leichten Unterschiede ein, die während des Zusammenseins zu
Tage getreten waren.
Alina wusste, dass ihr Milan – in vitro gezeugt – sein
Fötusdasein im Inkubator verbracht hatte, wie Millionen
andere auch. „Es müsste also gleichzeitig…“ Alina setzte sich
erregte auf. „Es müsste also gleichzeitig ein zweites Exemplar
Milan… und zwar heimlich; denn seine Eltern hätten wissen
müssen, dass ein Bruder… Und wenn
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