Der Esper und die Stadt
spürte, wie das Gewicht des Mannes meine rechte Schulter nach unten zwang. Ich kippte zur Seite. Die linke Düse rutschte nach oben, ans Ende der verlängerten Barriere. Der schlaffe Körper des Mannes rutschte mir von der Schulter und glitt über die rechte Barriere, die er damit nach unten schob. Als wir kopfüber fielen, packte ich mit beiden Händen nach ihm, und meine Finger rutschten über das Stroh. Mit einem Blick sah ich, wie die entfernten Gebäude und unter uns liegenden Straßen rasch näher kamen. Die Düsen zwangen mich schneller nach unten, als der Körper fallen konnte. Meine Finger krallten sich in unter dem Stroh befindliche Riemen, und ich nahm den Mann wie einen Koffer an die linke Hand. Einen Moment lang stand ich wieder aufrecht und blieb in konstanter Höhe, dann vollführten die Düsen einen leichten Schwenk nach links, und unter mir glitten Straßen, Häuser, der blaue Himmel und die strahlende Sonne vorbei. Ich zog den Mann hinauf, drückte ihn an meine Brust. Erneut verharrten wir, dann bewegten uns die Düsen in einem langsamen Bogen vornüber. Die Gebrauchsanweisung dieser Apparatur besagt zwar, daß das System absolut stabil ist, aber sie warnt einen auch davor, irgendwelche Gewichte mit sich zu schleppen.
Der Looping, den wir beschrieben, war nicht besser als der freie Fall. Beim Start war der Boden noch weit von uns entfernt gewesen, aber nun wurde er immer größer und kam näher. Ich erinnerte mich an ein schwankendes Kanu. „Setz dich hin, verkleinere das Zentrum der Schwerkraft“, sagte die Stimme des Kanusportlehrers, die mir plötzlich einfiel.
Abrupt kam alles zur Ruhe. Ich schwebte auf der Höhe des dritten Stockwerks, trieb wie ein Ballon auf der Ebene der Arkaden über den Bäumen – und über dem großen Zentral-Bildschirm am Kreuzungsplatz. Maskierte Gesichter in vielen Farben schauten zu mir auf. Eine seltsame Stille beherrschte die Stadt, dann erklang ein begeistertes Aufbrüllen und ein Klatschen, das sich wie Applaus anhörte. Das Getrommel und die Schritte marschierender Kapellen setzte wieder ein; die Karren fingen an, sich wieder durch die Straßen zu bewegen.
Auf dieser Ebene war es beinahe windstill, aber trotzdem trieb ich leicht dahin und schwebte. Das Gewicht des Mannes zog mich nach unten. Ich hatte beide Hände um seinen Leib geschlungen. Sein Kopf und seine Beine baumelten schlaff nach unten. Er war schwer, sah aber immer noch wie eine Strohpuppe aus.
Ich überprüfte seine Vibrationen. Seine Angst war geringer als die, die ich gehabt hatte. Hauptsächlich wunderte es ihn, wie herb man mit ihm umgesprungen war. Da sein Gesicht von Stroh bedeckt war, konnte er nichts sehen. Das hatte ihm ein paar Sorgen erspart! Ich zitterte immer noch. Die Sonne, die auf uns herunterschien, kam mir gar nicht allzu heiß vor. Der Düsengürtel schien zu registrieren, daß der Boden unter mir uneben – voller Bäume und Menschen – war und hielt mich in der Schwebe, ohne dem Boden näher zu kommen.
Der große TV-Schirm unter mir zeigte eine Aufzeichnung der letzten zehn Minuten: Nahaufnahmen der Aztekenpyramide, das Eintreffen der Priester und den Menschenstrom, der die Puppen und den Thron des „gefangenen Königs“ aufs Dach gebracht hatte. Im Moment der Opferung ging die Aufzeichnung auf Distanz, damit es nicht allzu deutlich sichtbar wurde. Der Schatten des aztekischen Kalenderscheins erhob sich matt über der Szenerie; ein gigantisches Rad mit seltsamen Symbolen, dessen Spitze und Zentrum von der Sonne beschienen wurde. Irgend jemand hatte die Aufzeichnung so bearbeitet, daß die Offensichtlichkeit der Gewalt heruntergespielt wurde. Dann ging die TV-Kamera wieder näher heran und zeigte eine große, schwarze Dämonengestalt,
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