Der Esper und die Stadt
Bübchen. Wo bist du?“
„Verschwinde aus meinem Kopf, George, du bist tot“, dachte Weeny in einem plötzlichen Aufblitzen von Haß. „Du kannst jetzt mit einem Bettuch bekleidet im Himmel herumspuken!“
Er glaubte George irgendwo in der Ferne lachen hören zu können. Es war ein echtes Gelächter, und es schien ihm, als käme es von draußen – von der Klippe, über deren Rand George gefallen war – durch den Tunnel zu ihm herein.
Wenn George nun doch nicht tot war? Weeny sprang auf und jagte auf die verschlossene Tür zu, und während er herumwirbelte, glaubte er George bereits vor sich zu sehen. Er war nur noch drei Meter von ihm entfernt. Als Weeny seine Drehung vollendet hatte, war George wieder weg. Er starrte auf die Stelle, an der er ihn gesehen hatte, und sah die sich auflösenden Umrisse seiner klobigen Schultern, seine großen Fäuste und runde, ausdruckslos-blaue Augen …
„Warum hast du solche Angst?“ fragte die Stimme in seinem Kopf. „Das macht mich ja erst richtig wach.“
Weeny wußte, daß es nur natürlich war, wenn George den Wunsch verspürte, ihn zu töten. Weeny hatte ihm schon zuvor eine Menge Ärger bereitet. Die Stichwunde, die er ihm beigebracht hatte, konnte jeden Gutmütigen verändern, der es bisher unterlassen hatte, die Hände an seine Kehle zu legen. Tote Hände? Was bedeutete wach machen? Weeny wurde klar, daß er wie ein Telepath gedacht hatte. Hör’ auf zu denken! Kann Denken die Toten erwecken? Können deine eigenen Gedanken in sie hineinschlüpfen und …
„Du meinst also, ich müßte dich umbringen, Weeny?“
„Ja!“ schrie Weenys Vorstellungskraft. „Du bist ein Zombie! Ein Zombie ist hinter mir her!“ Erneut stellte er sich vor, wie George ihn erwürgte. Eilig griff er nach seinem Bombenbeutel und schrie: „Wir treffen uns an der U-Bahn, Leute!“ Dann lief er hinaus in den Park. Während er wie blind durch die Dunkelheit stolperte, stellte er sich vor, daß George noch lebte, sich mit einer Hand an einer Baumwurzel festhielt und über dem Abgrund schwebte. Der Gedanke verlieh ihm neuen Mut und versorgte ihn mit nur in seiner Phantasie existierender Zeit, zur U-Bahn zu laufen. Aber während er lief, rannte ein ebenfalls nur in seiner Vorstellung existierender, mächtiger Schatten hinter ihm her und streckte die Arme nach ihm aus. Weeny erreichte den beleuchteten Eingang der U-Bahn-Station, keuchte und schluchzte vor Entsetzen und kauerte sich auf eine Bank, wobei er den Beutel mit den Explosivstoffen zwischen den Beinen deponierte. Allmählich kam ihm die Gegenwart der hellen Lampen und anderen Menschen wie ein ausreichender Schutz gegen Geister vor.
Georges Stimme klang jetzt gelassen und schien aus noch weiterer Ferne zu kommen. „Du meinst also, ich müßte dich erwürgen. Okay. Wenn du meinst … Wie aber komme ich von dieser Wurzel weg, Weeny? Wie soll der Zombie an der Wurzel entlang wieder den Abhang hinaufklettern und hinter dir herjagen, wenn er nur eine gesunde Hand hat, aber zwei braucht, wenn er weiter hier hängen will?“
„Er würde seine Zähne benutzen“, dachte Weeny und malte sich ein paar Reißzähne aus, mit denen der Zombie in die Wurzel biß. Blutbeschmiert wie er war, arbeitete er sich mit Zähnen und Klauen auf den Rand des Abgrunds zu, schwang sich – beinahe wie Tarzan – wieder auf festen Boden, richtete sich auf … folgte ihm … fand ihn mutterseelenallein auf Coney Island und legte seine mächtigen Pranken um seinen Hals.
„Ist was?“ fragte eine Stimme in seiner Nähe.
Weeny sprang mit einem Röcheln auf die Beine und langte nach seinem Messer. Aber es war nicht in seiner Tasche.
Wie in einem Blitz sah er die Gestalt George Sanfords vor sich stehen, dann ließ seine überdrehte,
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