Der Esper und die Stadt
Dabei murmelte er: „Hau’ ab, du bist tot. Hau’ ab.“
Er schaute auf und sah mich. Er sah genau die Monstergestalt, die er sich ausgemalt hatte, ein großes, formloses Ding, das ein wenig gebückt dastand und die Arme herunterbaumeln ließ, während sein gelber Arbeitsanzug mit hellroten Blutflecken bedeckt war. Blutrote Fußabdrücke zeigten den Weg, den ich genommen hatte. Ich wirkte auf ihn wie ein Monster aus einem Comic Strip.
Weeny versuchte das, was er sah, dadurch ungültig zu machen, indem er seinen Augen einfach nicht traute. Dennoch verging die Vision nicht. Es gab hier genügend Platz. Weeny dachte daran, mich dadurch auszutricksen, indem er hinter einer der drei Säulen verschwand. Ich duckte mich und ging nach links. Wieder hinterließ ich rote Fußabdrücke.
Weeny hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, rechts an mir vorbeizukommen. Mit einem stillen Gelächter wandte ich mich nach rechts, wie er es erwartet hatte. (Wie er es gewollt hatte?)
Nicht nachdenken. Vor Entsetzen schlotternd jagte Weeny geradewegs durch die Mitte auf die Freiheit zu und versuchte im letzten Moment eine Finte. Ich traf ihn mit der Faust genau gegen die Schläfe.
Der Moment der Panik war nur kurz gewesen. Der schlaksige, picklige Junge lag mit verdrehten Gliedern – als befände er sich noch auf dem Sprung – auf dem Boden, und seine Pose drückte immer noch Entsetzen aus. Aber er dachte nicht mehr. In Weenys Kopf war alles dunkel.
Ich trat über den leblosen Körper hinweg und versuchte irgendwo hinzugehen. Aber wohin? Wellen der Finsternis hüllten mich ein und verdunkelten die Umgebung. In meinem Mund schmeckte es stark nach Chemikalien. Es war wie ein bitteres Parfüm, wie diese grünen Pillen. Warum war ich hier? Wo war ich hier überhaupt?
War ich hier, um jemanden zu retten? Es war nicht einfach, auf den Beinen zu bleiben. Jetzt, wo niemand mehr da war, auf den ich mich konzentrieren mußte, und Weenys Gedanken und Ängste verstummt waren, zeigte die Überdosis des Sedativums schließlich ihre Wirkung. Versagen der Atemreflexe; Aussetzen des Herzens … Mir war kalt, und ich war müde. Am liebsten hätte ich mich hingelegt. Der Boden erschien mir wie ein Bett, und ein Paket, das da herumlag, kam mir wie ein Kissen vor. Ich beugte mich zu ihm hinab, und es schrie Gefahr ! Konnte ein Paket gefährlich sein? Im ganzen Raum waren Pakete und Einkaufsbeutel verstreut. Sie standen an den großen, freiliegenden Rohrleitungen. Ich starrte sie an, und sie strahlten ein wenig von Weenys Erinnerungen aus. In all den Paketen befand sich Sprengstoff. Und einige der Bomben tickten.
Ich taumelte auf einen Alarmmelder zu, schlug mit der Faust die Scheibe ein und drückte den Hebel herunter.
Einige Stockwerke höher flammte in der Wachstation ein Monitor auf, und eine Alarmglocke fing mit beharrlicher Beständigkeit an zu läuten. Zwei Wartungsingenieure sahen von ihrem Spiel auf. Auf Schirm 22 blinkte ein rotes Licht. Das Bild zeigte einen Mann in einem standardisierten, gelben Arbeitsanzug, der gerade den Hebel zog. Während sie ihm zusahen, fiel er um.
9
Der Rettungswagen schwebte zum Notfalltor des Hospitals hinauf und lieferte ein Opfer ab, das auf einer Lebenserhaltungsbahre lag. Dann nahm die Mannschaft eine Ersatzbahre an Bord und machte sich auf den Weg, um einem anderen Notruf nachzugehen. Das Opfer wurde in den Wiederbelebungsraum gebracht, wo man mit Hilfe einer Ballonweste die Luft aus dem Oberkörper drückte und mittels einer Sauerstoffmaske Frischluft zuführte. Ein elektrischer Schrittmacher brachte das Herz wieder zum Schlagen. Die Krankenhaustechniker bandagierten eine blutende Wunde, begannen mit einer
Weitere Kostenlose Bücher