Der Esper und die Stadt
fernhalten! „Hört mal“, sagte ich, „wenn ihr die Uhr gefunden habt und sie mir gebt, erzähl ich euch ’ne Sache, die ihr wissen solltet.“
Wenn ich lange genug Unsinn redete, würde vielleicht auch das letzte Bandenmitglied an die Oberfläche kommen, um zuzuhören, was ich zu sagen versuchte. Wenn sie erst mal alle draußen waren, konnte der Hubschrauber zuschlagen. Er war auf Unruhen eingerichtet; er konnte Schlafgas versprühen und jeden einzelnen damit kriegen.
Ich spürte den Schlag nicht mal. Plötzlich hockte ich auf den Knien und hatte purpurnen Nebel vor den Augen. Als ich aufzustehen versuchte, fiel ich zur Seite und war wie gelähmt.
Ich atmete nicht.
Konnte ein Karatekämpfer einem die Atmungsorgane lähmen? Was hatte der Ausbilder gesagt? Meine Lungen zogen sich zusammen, versuchten mehr Luft zu bekommen, aber sie nahmen nichts auf. Sie mußten mich mit einem Knüppel auf den Solar plexus getroffen haben. Aber wieso hatte ich den Knüppel nicht gesehen? Aus dem purpurnen Nebel wurden kleine, schwarze Punkte. Ich konnte nichts sehen.
„Was hat er uns denn sagen wollen?“ sagte die Stimme eines Burschen.
„Frag ihn doch.“
„Er kann jetzt nicht antworten, du Depp. Er kann nicht mal mehr grunzen. Wir müssen abwarten.“
„Ich kann warten“, sagte die Stimme eines Jungen, der eine Fahrradkette in der Hand hielt. Ich hörte die Kette klirren und gegen etwas schlagen und fragte mich, ob sie mich getroffen hatte. Mein Körper registrierte gar nichts. Ihn verlangte nur verzweifelt nach Luft.
„Du wirst nicht noch mal in unserem Gebiet rumlaufen“, sagte jemand. „Wir bemühen uns nur, dir Respekt einzubläuen. Von nun an wirst du auf den öffentlichen Gehwegen bleiben, anstatt in die Territorien anderer Leute einzudringen. Es sei denn, man hat dich eingeladen.“ Wieder klirrte die Kette und traf etwas.
Ich versuchte zu atmen, aber diese Anstrengung führte nur dazu, daß sich mein Brustkorb noch mehr verengte.
Es ist eine schreckliche Sache, wenn die eigene Lunge gegen einen arbeitet. Der Knoten, der sie umfangen hielt, löste sich aber kurz darauf wieder auf. Rasselnd schnappte ich nach der kühlen Luft, atmete wieder und wieder ein. Mit der Luft kamen Wellen von Licht, vertrieben die Blindheit und ließen mich wieder Arme und Beine fühlen. Ich gab meine zusammengekrümmte Position auf, legte mich auf den Rücken, schnappte nach Luft und lauschte den Geräuschen, die rings um mich zu hören waren.
In der Ferne summte der Helikoptermotor. Der Pilot hört zu, dachte ich, aber er hat keine Ahnung, daß ich in Schwierigkeiten stecke. Ich vernahm ein Klicken und hörte ein Zischen, als strenge sich jemand ungeheuer an. Ich rollte mich abrupt zur Seite und verdeckte mein Gesicht. Die Kette traf dort auf den Boden auf, wo ich eben noch gelegen hatte. Ich hockte mich hin und sah mir zum ersten Mal die Gesichter der Halbwüchsigen an, die mich damals zusammengeschlagen und verhöhnt hatten, als ich bei dem Versuch, mich in den berauschten Carl Hodges zu versetzen, in ihrem Gebiet herumgestolpert war. Ich hatte Hodges’ Handlungen nachvollzogen, war mir dessen aber nicht bewußt gewesen. Ich war nicht einmal auf die Idee gekommen, daß sie einen besonderen Grund gehabt hatten, als sie mich verprügelten. Die Gesichter waren die gleichen. Sie waren jung und kalt. Einige von ihnen fragten sich zwar, ob es richtig war, einen Erwachsenen zu verprügeln, aber die Entschlossenheit der anderen gab ihnen Mut. Es waren Halbstarke jeglichen Alters aus allen möglichen Kommunen, aber Kameradschaft und Gutmütigkeit waren ihnen fremd.
„Ich war auch mal in so ’ner Bande“, sagte ich rasch, um den Helikopter-Piloten auf dem laufenden zu
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