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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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tas­te­te mich zu­rück, fand aber nur noch Ver­wir­rung vor. „Nein.“
    „Mach die Au­gen zu. Du scheinst auf ei­ner Bank in ei­nem Park zu sit­zen. Aber das ist nur ei­ne Il­lu­si­on. Du bist gar nicht hier. Wo steckst du wirk­lich?“
    Ich hielt die Au­gen ge­schlos­sen. Die Stim­me drang tief in mei­nen Geist ein, in einen Raum, in dem ich ge­fan­gen war. Ich hat­te es selbst ver­schul­det. Dies zu wis­sen, be­hag­te mir nicht. Bes­ser, ich ver­stell­te mich. Ich mach­te die Au­gen wie­der auf. „Ich will aber hier im Park sein. Ich stel­le mir vor, du bist echt.“ Ich beug­te mich vor, be­rühr­te ein vor mei­nen Fü­ßen sprie­ßen­des Un­kraut und be­tas­te­te win­zi­gen Farn. „Die Ge­schich­te ist un­wich­tig“, sag­te ich ernst­haft. „Auf das Emp­fin­den kommt es an. Selbst die­se Il­lu­sio­nen sind re­al, denn sie pas­sie­ren jetzt. Wir le­ben im Jetzt. Er­in­ne­run­gen sind un­wirk­lich. Die Ver­gan­gen­heit exis­tiert gar nicht. Warum soll­ten wir ihr ge­gen­über et­was emp­fin­den oder uns um sie küm­mern?“
    Ich hat­te in die­sem Mo­ment über­haupt kei­ne selt­sa­men Ge­füh­le mehr. Ich fühl­te mich nur von mei­nem Leib und dem, was er sag­te, ge­trennt.
    Ah­med schau­te mit fun­keln­den Au­gen zu.
    „Carl Hod­ges – möch­ten Sie von dort, wo Sie jetzt sind, fort­ge­hen und sich in die­sem Park auf den Ra­sen le­gen?“
    „Sie ver­hö­ren mich“, hör­te ich mei­ne Stim­me sa­gen.
    „Was ist falsch dar­an, Ant­wor­ten zu ge­ben?“
    „Es ist falsch. Ant­wor­ten tö­ten. Die Men­schen sind tot. Sie sind al­le tot, wie Su­san­ne. Bringt es an­de­re Men­schen um, wenn man einen be­klagt? Auch sie sind er­trun­ken … flo­gen durch die Luft. Sah ein Mäd­chen im Was­ser … Zu­sam­men­hang …?“
    Ein Mäd­chen im Was­ser. Das war mei­ne Er­in­ne­rung, nicht sei­ne. Plötz­lich wa­ren wir eins. Ich war er. Je­der mei­ner Ge­sichts­mus­keln, mein gan­zer Kör­per ver­eng­te sich in ei­nem krampf­haf­ten Schmerz. Ich rutsch­te von der Bank und fiel in­mit­ten des Un­krauts auf die Knie. „Holt mich hier raus. Macht es un­ge­sche­hen. Dreht die Zeit zu­rück. Bringt mich um, be­vor es pas­siert.“ Be­te­te ich zu Ah­med oder zu Gott? Ich schäm­te mich so sehr, daß es schmerz­te. Konn­ten Ah­med oder Gott die Ver­gan­gen­heit un­ge­sche­hen ma­chen?
    Das in­tel­li­gent aus­se­hen­de Ge­sicht beug­te sich mit leuch­ten­den Au­gen über mich. Ich sah nach un­ten, schloß die Au­gen, hielt mei­nen Kopf und hoff­te.
    In dem Raum, der mich ge­fan­gen­hielt, hör­te ich Ah­meds Stim­me. „In zwei Stun­den wer­den Sie ge­ret­tet und frei sein. Sie wer­den kei­ne Schuld­ge­füh­le mehr ha­ben. Sie wer­den sich ent­span­nen und sich dar­an er­freu­en, wie­der drau­ßen zu sein. Wir sind von der Po­li­zei; wir neh­men ein Luft­ta­xi und ho­len Sie ab. In wel­che Rich­tung sol­len wir ge­hen?“
    Plötz­lich war wie­der Hoff­nung da. Mei­ne Stim­me sag­te: „Ams­ter­dam Ave­nue und 53. Stra­ße, Rich­tung Co­lum­bus Ave­nue; die zer­fal­le­nen Häu­ser­blocks, in ei­nem der noch er­hal­te­nen Kel­ler in der Nä­he des Mit­tel­punkts des fla­che­ren Rui­nen­teils. Zwei­mal hu­pen. Dan­ke. Ich glau­be, ich kann einen der Bur­schen zu­sam­men­hau­en, wenn ich euch hö­re, dann kom­me ich raus und win­ke. Kommt dann schnell run­ter und nehmt mich an Bord.“ Carl Hod­ges fühl­te sich nun bes­ser.
    „Okay“, sag­te Ah­med, und sei­ne Stim­me ent­fern­te sich. „Okay.“
    Ich nahm die Hän­de vom Kopf. „Was ist okay?“ Ich fühl­te mich aus­ge­zeich­net. Ich stand auf und wisch­te mir das Grün­zeug von den Ho­sen­bei­nen.
    „Okay, ma­chen wir wie­der mal einen Vor­stoß in ein Ju­gend­ban­den­ge­biet“, sag­te Ah­med.
    „Wo ist Big­gy?“ Ich sah mich und er­war­te­te un­se­re Ban­de aus den Kin­der­ta­gen zu se­hen. Dann er­in­ner­te ich mich wie­der. Big­gy war nach Mau­re­ta­ni­en ge­gan­gen. Und die an­de­ren in die Sa­ha­ra. Sie wa­ren al­le ir­gend­wo hin­ge­gan­gen. Ich schüt­tel­te den Kopf, um wach zu wer­den. „Was soll das hei­ßen, Ah­med: Wir wol­len in ein Ju­gend­ban­den­ge­biet vor­sto­ßen? Das ha­ben wir doch hin­ter uns. Wir

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