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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Ge­nau­so wie ich beim letz­ten­mal hier auf­ge­tre­ten war.
    Die un­ter­ge­hen­de Son­ne warf lan­ge Schat­ten über den zer­bro­che­nen wei­ßen Plat­ten­be­lag. Ich dreh­te mich um, mus­ter­te mei­nen ei­ge­nen Schat­ten und zuck­te zu­sam­men, als ne­ben mir der ei­nes an­de­ren sicht­bar wur­de. Als ich seit­wärts schau­te, sah ich einen großen, stäm­mi­gen Halb­star­ken. Er stand ne­ben mir, hat­te ko­mi­sche Kla­mot­ten an und einen di­cken Prü­gel in der Hand. Er sah mich nicht mal an, son­dern schau­te an­ders­wo­hin und spitz­te die Lip­pen, als wür­de er einen laut­lo­sen Pfiff aus­sto­ßen.
    Als ein klei­ne­rer Halb­star­ker mit glat­tem, blon­dem Haar hin­ter ei­nem Mau­er­rest auf­tauch­te, zuck­te ich er­neut zu­sam­men.
    „Wie­der da, was?“ frag­te der blon­de Bur­sche.
    Ich spür­te, daß sich jetzt auch die Schat­ten der an­de­ren um mich ver­sam­mel­ten.
    „Ich such nach mei­ner Ta­schen­uhr“, sag­te ich. „Ich hab sie ver­lo­ren, als ihr mich da­mals ver­hau­en habt. Hört mal, es ist wirk­lich ’n al­tes Stück, und sie ist ein An­den­ken. Ich muß sie ein­fach wie­der­fin­den.“
    Ich sah zu Bo­den und dreh­te mich im Kreis. Wo ich auch hin­sah, über­all wa­ren Bei­ne. Die Bur­schen stan­den in den Ein­gän­gen der Rui­nen, auf den Ge­röll­hau­fen und lehn­ten sich auf ih­re Knüp­pel. Die Fahr­rad­ket­ten klirr­ten lei­se.
    „Du scheinst wirk­lich ein Trot­tel zu sein“, sag­te der An­füh­rer und ent­blö­ßte sei­ne Zäh­ne zu ei­nem Lä­cheln, in dem es nicht ei­ne Spur Freund­lich­keit gab.
    Wo steck­te Carl Hod­ges? Das Ge­biet, in dem ich mich auf­hielt, war sau­ber. Mög­li­cher­wei­se hin­gen hier im­mer vie­le Leu­te rum. Die Trep­pen, die zu ei­ner Kel­ler­tür run­ter­führ­ten, wa­ren eben­falls sau­ber; so­gar die Tür­klin­ke glänz­te. Schi­en oft be­nutzt zu wer­den. Der An­füh­rer war als letz­ter ge­kom­men, aus ei­ner ganz an­de­ren Rich­tung. Er stand auf stau­bi­gem, ge­röllbe­deck­tem Un­ter­grund, den of­fen­bar noch nicht all­zu vie­le Fü­ße be­tre­ten hat­ten. Er war of­fen­bar nicht den üb­li­chen Weg ge­gan­gen, um mir ent­ge­gen­zu­tre­ten. Der üb­li­che Weg lag mög­li­cher­wei­se in der Rich­tung, in die ich jetzt schau­te: Hin­ter der Tür, die so aus­sah, als wür­de sie oft be­nutzt.
    Es war, als such­te ich mit der „Heiß und kalt“-Me­tho­de nach ei­nem ver­steck­ten Ge­gen­stand. Wenn Carl Hod­ges sich hin­ter die­ser Tür be­fand, wür­den die Halb­star­ken ver­hin­dern, daß ich dar­auf zu­ging. Ich stell­te mich ein biß­chen blöd und ver­wirrt und mach­te zö­gernd zwei Schrit­te in die­se Rich­tung. Wie ein Mann rück­ten sie zu­sam­men. Klei­der ra­schel­ten. Ih­re Um­zin­ge­lung wur­de en­ger. Ich hielt an. Sie blie­ben auch ste­hen.
    Ein Kreis be­waff­ne­ter Halb­star­ker hat­te sich nun eng um mich ge­schlos­sen. Zwei von ih­nen stan­den bei­na­he zwi­schen mir und den Trep­pen­stu­fen. In der Fer­ne summ­te der Hub­schrau­ber her­um und um­kreis­te die Häu­ser­blocks. Ich wuß­te, daß ich nur zu ru­fen brauch­te – selbst ein lei­ses Wort hät­te ge­nügt –, um die Ma­schi­ne in ein paar Se­kun­den in der Nä­he zu ha­ben.
    Der blon­de Bur­sche be­weg­te sich nicht. Er lüm­mel­te sich im­mer noch da her­um, ließ sei­ne Zäh­ne blit­zen und mus­ter­te mich von oben bis un­ten, wie ein Wis­sen­schaft­ler in ei­nem Zoo, der ei­ne sel­te­ne Go­ril­laart stu­diert.
    „Ich muß euch ’ne wich­ti­ge Sa­che er­zäh­len“, sag­te ich zu ihm. Aber sie hör­ten mir nicht zu.
    „Es ist wirk­lich fast ’ne Schan­de“, sag­te der blon­de Bur­sche zu den an­de­ren, „wie blöd er jetzt schon ist. Wenn wir ihm jetzt noch eins auf sei­ne Ge­hirn­win­dun­gen ge­ben, wird er gar nicht mehr mer­ken, daß er je wel­che hat­te.“
    Ich sah den An­füh­rer an und mach­te schnell einen wei­te­ren Schritt in Rich­tung auf die Trep­pe und die Tür zu. Am Fü­ße­schar­ren der an­de­ren merk­te ich, daß hin­ter mir der Kreis noch en­ger wur­de. Als ich an­hielt, blie­ben sie auch ste­hen. Mir war jetzt klar, daß die Tür et­was ver­barg. Sie woll­ten Frem­de von ihr

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