Der ewige Gaertner
dotierte Forschungsaufträge für biotechnische Behandlungsmöglichkeiten anderer Krankheiten erhalten hatten. Sie haben Seattle unverzüglich von meinen Absichten informiert, und Seattle hat Basel und Vancouver in Kenntnis gesetzt.«
Sie reicht ihm ein gefaltetes Blatt Papier. Als er es auseinander faltet, überläuft ihn ein Frösteln. So was hat er schon mal gesehen.
KOMMUNISTENHURE. LASS DEINE SCHEISSFINGER VON UNSERER UNIVERSITÄT. GEH ZURÜCK IN DEINEN BOLSCHEWISTISCHEN SCHWEINESTALL. HÖR AUF, ANSTÄNDIGEN LEUTEN DAS LEBEN MIT DEINEN KORRUPTEN THEORIEN ZU VERGIFTEN.
Computerschrift. Keine Rechtschreibfehler. Derselbe Stil. Willkommen im Klub, denkt er.
»Der Dawes University ist vertraglich eine Beteiligung an den weltweiten Gewinnen aus dem Verkauf von Dypraxa zugesichert worden«, fährt sie fort und schnappt ihm lässig das Papier aus der Hand. »Loyale Mitarbeiter der Klinik erhalten Vorzugsaktien. Wer nicht loyal ist, erhält anonyme Briefe wie diesen hier. Es ist wichtiger, der Klinik gegenüber loyal zu sein, als den Patienten gegenüber. Am wichtigsten ist es, KVH gegenüber loyal zu sein.«
»Das hat Halliday geschrieben«, sagt Amy, die mit einem Tablett mit Kaffee und Keksen ins Zimmer stürmt. »Sie ist die Anführerin der Klinik-Mafia. Jeder an der Fakultät muss ihr in den Arsch kriechen oder sterben. Außer mir und Lara und ein paar anderen Idioten.«
»Woher wissen Sie, dass sie das geschrieben hat?«, fragt Justin.
»DNA-Test. Ich hab die Briefmarke vom Umschlag gelöst und den Speichel einer DNA-Analyse unterzogen. Die Kuh geht oft in den Fitnessraum der Klinik. Ich und Lara haben ein Haar aus ihrer rosa Bambi-Haarbürste geklaut und den Vergleichstest gemacht.«
»Hat jemand sie zur Rede gestellt?«
»Klar. Die komplette Leitung. Die Kuh hat gestanden. Übereifer in Ausübung ihrer Pflichten, die für sie einzig darin bestehen, die Interessen der Universität zu wahren. Hat sich demütig entschuldigt und behauptet, sie leide unter seelischem Stress, was bei ihr so viel wie geifernder Sexualneid bedeutet. Verhandlung eingestellt, Kuh beglückwünscht. Inzwischen haben sie Lara gefeuert. Ich bin die nächste.«
»Lara Emrich ist Kommunistin«, erklärt Lara. Die Ironie gefällt ihr. »Sie ist Russin, aufgewachsen in St. Petersburg, als es noch Leningrad hieß. Sie hat sowjetische Schulen besucht, also ist sie Kommunistin und Antikapitalistin. Klarer Fall.«
»Und sie hat auch nicht Dypraxa entwickelt, richtig?«, erinnert Amy sie.
»Das war die Kovacs«, stimmt Lara grimmig zu. »Die war das große Genie. Ich war ihre promiskuitive Laborgehilfin. Lorbeer war mein Liebhaber, und deshalb hat er den Ruhm für mich beansprucht.«
»Und deshalb zahlen sie dir jetzt auch kein Geld mehr, stimmt’s?«
»Nein, das hat einen anderen Grund. Ich habe gegen die Vertraulichkeitsklausel verstoßen und damit den Vertrag gebrochen. Ganz logisch.«
»Eine Prostituierte ist Lara noch dazu. Hat die hübschen Jungs gevögelt, die man ihr aus Vancouver geschickt hat. Was sie natürlich nicht hat. An der Dawes University wird nicht gevögelt. Und wir sind alle Christen, außer den Juden.«
»Seit von dem Medikament Patienten sterben, wünschte ich, ich hätte es nicht entwickelt«, sagt Lara leise. Amys muntere Abschiedsworte ignoriert sie einfach.
»Wann haben Sie Lorbeer das letzte Mal gesehen?«, fragt Justin, als sie wieder allein sind.
***
Ihr Tonfall ist immer noch reserviert, aber sanfter.
»Er war in Afrika«, sagte sie.
»Wann?«
»Vor einem Jahr.«
»Vor weniger als einem Jahr«, korrigierte Justin. »Meine Frau hat vor sechs Monaten im Uhuru-Krankenhaus mit ihm gesprochen. Seine Apologie, oder wie er das nennt, wurde kürzlich in Nairobi abgeschickt. Wo ist er jetzt?«
Lara Emrich ließ sich nicht gern korrigieren. »Sie haben gefragt, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe«, erwiderte sie gereizt. »Das war vor einem Jahr. In Afrika.«
»Wo in Afrika?«
»In Kenia. Er hat mich kommen lassen. Die Last der Beweise war ihm unerträglich geworden. ›Lara, ich brauche dich. Es ist überaus wichtig und sehr dringend. Sag keinem was. Ich zahle. Komm.‹ Seine Bitte hat mich berührt. Ich habe in der Klinik erzählt, meine Mutter sei krank, und bin nach Nairobi geflogen. Ich bin an einem Freitag angekommen. Markus hat mich vom Flughafen abgeholt. Schon im Auto fragt er mich: ›Lara, kann es sein, dass unser Medikament den Hirndruck erhöht und den Sehnerv schädigt?‹ Ich
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