Der ewige Gaertner
ein. »Sie haben sie geliebt. Wissen Sie noch? Wie konnten Sie ihren Bericht verbrennen, wenn Sie sie geliebt haben?« Nichts schien seine Stimme hindern zu können, kraftvoller zu werden. »Wie konnten Sie sie belügen, wenn sie Ihnen vertraut hat?«
»Bernard hat gesagt, man muss sie aufhalten«, murmelte Woodrow und vergewisserte sich mit einem verstohlenen Blick ins Dunkel, dass Justin seinen sicheren Posten an der Tür nicht verlassen hatte.
»Ja, und wie sie aufgehalten wurde!«
»Um Himmels willen, Quayle«, flüsterte Woodrow. »Nicht so. Das waren ganz andere Leute. Nicht meine Welt. Nicht Ihre.«
Offenbar war Justin über seinen Ausbruch selbst erschrocken, denn als er weitersprach, tat er dies im zivilisierten Ton eines enttäuschten Kollegen.
»Wie konnten Sie sie aufhalten , wie Sie es nennen, wenn Sie sie so sehr geliebt haben, Sandy? Ihrem Brief nach zu urteilen, war sie für Sie die Erlösung von all diesen –« Anscheinend hatte er für einen Augenblick vergessen, wo er war, denn seine ausgebreiteten Arme umfassten nicht die trostlosen Insignien von Woodrows Gefangenschaft, sondern die Herden geschnitzter Tiere, die rechts von ihm im Dunkel einiger Glasregale aufgestellt waren. »Sie war Ihr Ausweg aus all dem, Ihr Weg zu Glück und Freiheit. Jedenfalls haben Sie ihr das gesagt. Warum haben Sie ihre Sache nicht unterstützt?«
»Es tut mir Leid«, flüsterte Woodrow und senkte den Blick, als Justin plötzlich mit einer ganz anderen Frage fortfuhr.
»Also, was genau haben Sie verbrannt? Warum hat dieses Dokument für Sie und Bernard Pellegrin eine solche Bedrohung bedeutet?«
»Es war ein Ultimatum.«
»An wen?«
»An die britische Regierung.«
» Tessa hat der britischen Regierung ein Ultimatum gestellt? Unserer Regierung?«
»Die Verantwortlichen sollten handeln, sonst … Sie fühlte sich uns verpflichtet. Ihnen. Hat von Loyalität gesprochen. Sie war die Frau eines britischen Diplomaten und daher fest entschlossen, die Wege der britischen Diplomatie zu beschreiten. ›Die bequeme Lösung wäre, gleich an die Öffentlichkeit zu gehen. Die unbequeme, das System zum Handeln zu veranlassen. Ich ziehe die unbequeme Lösung vor.‹ Das hat sie gesagt. Sie hielt an der lächerlichen Vorstellung fest, die Briten verfügten über mehr Integrität – ihre Regierung über mehr Moral – als alle anderen Völker. Das muss ihr Vater ihr eingetrichtert haben. Sie hat gesagt, Bluhm sei ebenfalls der Meinung, die Briten könnten damit fertig werden, vorausgesetzt natürlich, sie hielten sich an die Spielregeln. Wenn die Sache für die Briten einen so hohen Stellenwert habe, sollten sie die Gelegenheit bekommen, selbst auf ThreeBees und KVH einzuwirken. Kein Konfrontationskurs. Keine Drohungen. Nur Überzeugungsarbeit leisten, dass das Medikament so lange vom Markt genommen wird, bis die Tests abgeschlossen sind. Und wenn sie das nicht –«
»Hat sie eine Frist gesetzt?«
»Sie hat eingestanden, dass es von Region zu Region unterschiedlich lange dauern würde. Südamerika, Naher Osten, Russland, Indien. Aber ihre Hauptsorge galt Afrika. Sie verlangte, dass das Medikament innerhalb der nächsten drei Monate zurückgezogen würde. Wenn nicht, wollte sie die Bombe platzen lassen. Nicht ihre Worte, aber so ungefähr.«
»Und das haben Sie an London übermittelt?«
»Ja.«
»Und wie hat London reagiert?«
»Pellegrin hat reagiert.«
»Wie?«
»Er meinte, das sei doch alles vollkommener Blödsinn. Naiv. Da könne er ja gleich einpacken, wenn er sich die Politik des Außenministeriums vom missionarischen Eifer einer britischen Ehefrau und ihres schwarzen Liebhabers diktieren lassen wollte. Dann ist er nach Basel geflogen. Hat sich mit den KVH-Leuten zum Lunch getroffen. Hat sie gefragt, ob sie in Erwägung ziehen könnten, für kurze Zeit die rote Fahne zu hissen. Ihre Antwort lautete sinngemäß, die Fahne sei nicht rot genug, und es sei immer riskant, ein Medikament vom Markt zu nehmen. Die Aktionäre würden das nicht gutheißen. Nicht dass die Aktionäre überhaupt gefragt würden, aber wenn man sie fragen würde, wären sie dagegen. Folglich wäre auch der Vorstand dagegen. Medikamente sind keine Kochrezepte. Da kann man nicht irgendwas rausnehmen, ein Atom oder was weiß ich, und versuchsweise irgendwas anderes reintun. Man kann lediglich mit der Dosierung herumexperimentieren. Wenn man die Zusammensetzung ändern will, muss man ganz von vorne anfangen, haben sie ihm erklärt, und das tut in
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