Der ewige Held 03 - Das ewige Schwert
Einfachheit.« Ich zog den Actorios aus meiner Gürteltasche. Dann hielt ich ihn hoch, so daß seine seltsame, dunkle Strahlung sich ungehindert ausbreiten konnte. »Seht ihr?«
Ich richtete den Actorios auf die Spiegelwand, und ganz unvermittelt klärte sich das Trugbild und ließ erkennen, was hinter der Wand lauerte.
Von Bek und Alisaard wichen beide unwillkürlich zurück. Ihre Gesichter waren bleich.
Geschöpfe, weder Mensch noch Tier, schlurften gebückt und verkrümmt zwischen verwahrlosten Hütten umher, die aus verschmolzenem Feuerstein zu bestehen schienen. Manche preßten groteske Gesichter an die Mauer, auf denen ein Ausdruck verzweifelter Niedergeschlagenheit lag. Die anderen bewegten sich gleichgültig durch das Dorf und gingen verschiedenen Beschäftigungen nach. Nicht einer von ihnen ging ohne zu hinken oder war frei von jeglicher Mißbildung.
»Wie nennt man dieses Volk?« flüsterte von Bek entsetzt. »Sie sehen aus, wie einem mittelalterlichen Gemälde entsprungen! Was sind sie, Herr Daker?«
»Sie waren einst Menschen«, erwiderte Alisaard leise. »Aber indem sie dem Chaos Treue schworen, unterwarfen sie sich der Logik des Chaos. Chaos erträgt keine Beständigkeit. Es verändert sich immerfort. Und was ihr hier seht, sind die Veränderungen, die das Chaos an menschlichen Wesen hervorbringt. Das ist, was Sharadim den Sechs Reichen anbietet. Oh, natürlich, einige von ihnen werden für eine gewisse Zeit über gewaltige Macht verfügen. Aber am Ende werden sie alle werden wie diese hier.«
»Arme Teufel!« murmelte von Bek.
»Arme Teufel«, sagte ich zu ihm, »ist die treffendste Beschreibung für sie .«
»Würden sie uns angreifen, wenn die Mauer nicht wäre?« fragte von Bek.
»Nur wenn sie uns für schwächer hielten, als sie selbst es sind. Sie sind nicht zu vergleichen mit den kriegerischen Geschöpfen, die Sha- radim befehligt. Diese hier traten nur in die Dienste des Chaos, weil sie sich davon irgendeinen Vorteil versprachen.«
Alisaard wandte sich ab. Sie holte tief Atem und stieß ihn dann plötzlich wieder aus, als hätte sie erkannt, daß die Luft verunreinigt war.
»Wir haben eine Dummheit begangen«, sagte sie. »Eine riesige Dummheit. Man hat uns aufgetragen, das Zentrum zu suchen und dort das Schwert zu finden. Aber wir befinden uns im Reich des Chaos. Da hier nichts Bestand hat, gibt es keine Möglichkeit herauszufinden, welchen Weg wir einschlagen müssen.«
Von Bek tröstete sie. Ich stand beiseite und mußte mich wieder zwingen, meine Gefühle in den Griff zu bekommen. Die Eifersucht wollte mich nicht aus ihren Klauen lassen.
»Wir sollten uns glücklich schätzen«, machte ich sie aufmerksam, »daß Balarizaaf noch nichts von unserer Anwesenheit bemerkt hat. Wir sollten uns beeilen, und soviel Abstand zwischen uns und dieses Tor legen wie möglich. Nehmen wir den Weg durch diese Wälder.«
»Aber wenn Balarizaaf hier regiert, wird er uns entdecken, sobald er sich die Mühe macht, Umschau zu halten«, wandte Alisaard ein.
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Er ist hier so gut wie allmächtig, aber er ist nicht allwissend. Wir haben eine geringe Chance, unser Ziel zu erreichen, bevor er auf uns aufmerksam wird.«
»Das ist wahrer Optimismus!« Von Bek schlug mir auf den Rücken und lachte, während er vermied, den Blick auf das Dorf zu richten, das nur noch vage zu erkennen war. Wir hatten uns erst ein kurzes Stück entfernt, da lag es wieder hinter der Spiegelwand verborgen.
»Wir sollten uns vor diesem Wald in acht nehmen«, meinte von Bek. »Aber ich vermute, wir haben keine andere Wahl. Er ist dicht, hm? Wie einer dieser alten Wälder aus den deutschen Märchen. Wenn wir Glück haben, treffen wir vielleicht einen Holzfäller, der uns den rechten Weg zeigt und uns noch drei Wünsche freigibt.«
Alisaard lächelte, ihre niedergeschlagene Stimmung verflog. »Ihr redet so merkwürdig, Graf von Bek. Aber in diesem Unsinn liegt eine Musik, die mir gefällt.«
Ich für meinen Teil fand seine Scherze gar nicht bemerkenswert.
Dieser Eichenwald verbreitete eine Atmosphäre der Dauer, als stünde er hier schon seit tausend Jahren oder mehr. In den kühlen, grünen Schatten sahen wir Kaninchen und Eichhörnchen, und die Stimmung der Ruhe an diesem Ort war betörend. Aber auch ohne meinen Actori- os zu befragen wußte ich, daß er nicht sein konnte, was er zu sein schien. Das war eine der wenigen Regeln des Chaos.
Wir waren erst ein oder zwei Meter weit in den
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