Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg
uns, was wir tun und lassen sollten.«
»Das mag sein. Aber die andere Hälfte der Zeit beobachten wir. Objektiv.«
»Jetzt kommt Michaels ›Objektivitäts‹-Nummer.« Sie lehnte sich zurück und lächelte ihm zu.
»Mutter, du weißt … ach, lassen wir das. Willy hat den Rest seines Lebens, um sich selbst ein Bild zu machen.« Er zog an seinem Joint, und ich bemerkte, daß er den Rauch nicht inhalierte. »Erzähl uns vom Krieg, Mann. Ich hörte, daß du bei der Sturmabteilung warst, die tatsächlich gegen die Taurier kämpfte. Von Angesicht zu Angesicht.«
»Ja. Es war nicht viel.«
»Dann stimmt es also«, sagte Mike. »Ich hörte, sie seien Feiglinge.«
»Das kann man so nicht … sagen.« Ich schüttelte den Kopf; das Haschisch machte mich schläfrig und wirr im Kopf. »Es war eher so, daß sie einfach nicht verstanden, worum es ging. Wie in einer Schießbude, weißt du. Sie stellten sich auf, und wir schossen sie nieder.«
»Wie ist das möglich?« sagte Mutter irritiert. »In den Nachrichten hieß es, ihr hättet neunzehn Mann verloren.«
»Sagten sie, neunzehn wären getötet worden? Das ist nicht wahr.«
»Ich kann mich nicht genau erinnern, was über sie gesagt wurde.«
»Nun, es ist eine Tatsache, daß wir neunzehn Menschen verloren, aber nur vier von ihnen wurden getötet. Das geschah im Anfangsstadium des Gefechts, bevor wir ihre Verteidigungen ausgekundschaftet hatten.« Ich beschloß, nichts über die Art und Weise zu sagen, wie Ho zu Tode gekommen war. Das würde die Sache zu sehr komplizieren. »Von den anderen fünfzehn Leuten wurde einer von unseren eigenen Lasern getroffen. Er verlor einen Arm, blieb aber am Leben. Alle anderen … verloren den Verstand.«
»Nicht möglich!« sagte Mike. »Durch irgendeine launische Waffe?«
»Die Taurier hatten nichts damit zu tun! Die Armee ist verantwortlich. Man konditionierte uns, alles zu töten, was sich bewegte, sobald der Kommandeur die Konditionierung mit ein paar Schlüsselworten auslöste. Als die Leute danach zu sich kamen, konnten sie die Erinnerung nicht verkraften. Die Erinnerung, ein gnadenloser und blutrünstiger Schlächter zu sein.« Ich schüttelte mehrmals den Kopf. Der Joint haute mich wirklich um.
»Entschuldigt«, murmelte ich und stand schwankend auf. »Ich bin seit zwanzig Stunden…«
»Aber natürlich, William.« Mutter nahm meinen Arm und steuerte mich in ein Schlafzimmer und versprach, mich rechtzeitig zu den abendlichen Festlichkeiten zu wecken. Das Bett war unanständig bequem, und ich war so müde, daß ich an einen knorrigen Baum gelehnt hätte schlafen können.
Übermüdung und Hasch und ein zu ausgefüllter Tag: Mutter mußte mich wecken, indem sie mir kaltes Wasser ins Gesicht tröpfelte. Sie führte mich an einen Kleiderschrank und zeigte auf zwei Anzüge, die nach ihrer Ansicht dezent genug und dem Anlaß angemessen waren. Ich entschied mich für den Ziegelroten – der blaue schien ein wenig affig –, duschte und rasierte mich, wies Kosmetika zurück (Mike war schon fertig aufgeputzt und erbot sich, mir zu helfen), bewaffnete mich mit dem halbseitigen Wegweiser zur Vollversammlung und machte mich auf den Weg.
Trotz der ausführlichen Instruktionen verlief ich mich zweimal, aber an jeder größeren Kreuzung hatten sie Informationsautomaten, die an einen Computer angeschlossen waren und einem in vierzehn Sprachen jeden Weg erklärten.
Die Herrenmode hatte, soweit es mich betraf, einen Rückschritt erlebt, wie ich ihn nicht für möglich gehalten hätte. Von der Mitte aufwärts war es nicht so schlimm, da trug ich eine Bluse mit gestärktem Stehkragen und einen Umhang; aber dazu gab es einen breiten, funktionslosen Gürtel, von dem ein kleiner, mit unechten Juwelen besetzter Dolch baumelte, der allenfalls zum Brieföffner taugte; und dann riesige gefältelte Pluderhosen, die in glänzenden, hochhackigen Schaftstiefeln aus synthetischem Material staken. Es fehlte nur noch ein breitkrempiger Hut mit Federbusch, und ich hätte wie ein Kavalier der Spätrenaissance ausgesehen.
Die Frauen hatten es besser. Ich traf Marygay vor dem Sitzungssaal der Vollversammlung.
»Ich komme mir absolut nackt vor, William.«
»Ach, Unsinn, du bist es nur nicht mehr gewohnt. Außerdem ist es die Mode.« Die meisten jungen Frauen, denen ich begegnet war, waren ähnlich angezogen gewesen. Sie trug ein einfaches Kleid, das mit oder ohne Gürtel getragen werden konnte und an den Seiten vom Saum bis unter die Achseln geschlitzt
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