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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Vater zurückkommt.«
    Mit dem Handrücken wischte sich der Junge den belastenden Beweis fort. Der Schmerz dehnte plötzlich die Lippen seiner Mutter zu einem flachen Horizont.
    »Warum tut es dir das an, Ma?«
    »Das Baby ist daran nicht schuld, Liebling.«
    »Aber es tut dir weh«, wandte er ein. »Ich will nicht, dass es dir noch mehr wehtut.«
    »Es wird aufzuhören wehzutun. Aber vielleicht muss ich weggehen.«
    »Wohin weggehen?«
    Ihr Lächeln kam verspätet. »Keine Angst, Liebling. Es wird alles seinen Sinn haben.«
    »Was?«
    »Bleib jetzt einfach hier bei mir. Ich singe etwas für dich.« Sie drückte seine Hand fester. »You are the sunshine of my life …« Das Lied war mehr als nur Melodie und Text. Es transzendierte Ton und Bedeutung. Es war ein Akkord des Lebens, der sie verbunden hatte, warm und tröstlich, seit seiner Geburt, im Schlaf und im Wachen. »Deshalb werde ich immer bei dir sein …« Doch es war fragiler geworden, bebte – und erschien nun als Nachhall seiner selbst.
    »Ma … wenn du weggehst, vergisst du mich dann?«
    Er hörte, wie sie den Atem anhielt, und ihre Finger umschlossen seine Hand fester.
    »Ich vergesse dich niemals, Liebling. Das ist das Beste daran, wenn man jemanden lieb hat. Man vergisst ihn niemals.«
    Als er das Knirschen eines Stahlhakens hörte, der gehoben wurde, riss er den Kopf herum, und die einzige Tür des Raumes öffnete sich. Sein Vater trat herein. In beiden Händen hielt er einen Blecheimer. Milch schwappte über ihre Ränder, während er auf den großen, gusseisernen Herd zuging.
    »Sie hat reichlich gegeben, Mutter«, sagte er.
    »Das ist gut«, sagte seine Frau.
    Er setzte die Eimer auf dem Herd ab und rieb sich die Hände vor seiner Latzhose trocken. Er machte den Eindruck eines domestizierten Tieres – wild geboren und dann abgerichtet, in einer Welt voll Menschen und Hütten und Dogmen zu leben. Er hob die gewaltigen Hände vors Gesicht, musterte die krummen Finger, die Tausende fehlgegangene Hammerschläge geprägt hatten, dann schob er sie in die Taschen der Latzhose und starrte seine bleiche Frau an.
    »Spürst du noch immer, wie es sich regt?«
    »Ja«, antwortete sie leise. »Ein bisschen.«
    »Bleib stark, Mutter. Noch ist es nicht so weit.«
    »Das weiß ich, und ich werde es.«
    Der Blick seines Vaters glitt zu dem Jungen. »Sind das Tränen, Sohn?«
    Der Junge wusste: Weinen war Versagen. Aber Lügen war undenkbar.
    »Ja, Vater.«
    »Dann dürfen wir nicht vergessen, später darüber zu sprechen.«
    »Ja, Sir. Ich vergesse es nicht.«
    »Gut.«
    Er nahm sein Päckchen Camels aus der Tasche, schüttelte eine Zigarette heraus, nahm ein Streichholz aus dem Krug auf dem Herd, strich es an der eisernen Oberseite an, entzündete die Zigarette und sandte eine aromatische Rauchwolke in den Raum.
    »Ich werde dir etwas Milch warm machen, Mutter. Du musst mehr Milch trinken.« Er blickte zum großen gemauerten Kamin. »Soll ich Feuer machen? Ist dir kalt?«
    Als er keine Antwort bekam, wandten Vater und Sohn sich ihr zu. Der Junge hatte vergessen, dass er noch immer ihre Hand hielt, und bemerkte nun, dass ihre Finger die seinen nicht mehr drückten. Sein Vater ließ die Zigarette zu Boden fallen. Ob er dies beabsichtigt hatte oder nicht, konnte der Junge nicht sicher sagen.
    »Mutter?«, fragte sein Vater. Er ging langsam zu der Pritsche – und legte zwei Finger an die weiße, glatte Kehle.
    »Was ist passiert, Pa?«
    Der große, dunkle Kopf sank langsam nach vorn. Etwas in ihm hatte nachgegeben. Die Stille im Raum war wie ein Besucher, der verlangte, dass niemand sprach. Der Junge glaubte, sie herrsche über die ganze Welt. Er hörte die Vögel nicht zwitschern, den Wind nicht säuseln und die Blätter an den Bäumen nicht rascheln. Selbst die Musik klang gedämpft.
    Der Junge stand auf. »Ma?« Er legte seiner Mutter die Hand auf die Schulter. »Ma?« Er stieß sie leicht an. »Ist sie fortgegangen, Pa?«
    Langsam richtete der Vater den Blick auf ihn. »Das hat sie dir gesagt?« Mitten in den kohleschwarzen Augen flammte plötzlich Glut auf – und er blickte auf die Leiche. » Das hast du ihm gesagt?«
    Der Junge schmeckte beinahe die Bitterkeit in der Frage, auch wenn er nicht begriff, woher sie rührte. Er begriff gar nichts. Er fühlte sich haltlos, zwischen allen Orten. Er sah zu, wie sein Vater mit den Fingerspitzen langsam den Zopf entlangfuhr, dann zu ihrem Gesicht strich und sanft ihre Wange nachzeichnete.
    »Wir werden dich

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