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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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umgesetzt. Als er im vergangenen Herbst auf dem Flohmarkt den blauen Everlast-Sandsack sah, kaufte er ihn und hängte ihn mit einem Haken an die Betonmauer, die seinen kleinen Garten hinter dem Haus umgab. Im Oktober hatte er Gras gesät, und nun war seine Stelle vor dem Sandsack ein Kreis aus Erde, umgeben von Grün.
    Draußen war es kühl, doch bis auf Boxershorts trug er nichts und glänzte in der blassen Sonne wie der Stahl einer demontierten Maschine. Seine Bewegungen waren die präzise Begleitung zum konstanten Bass- und Trommelrhythmus, und hinter geschlossenen Augen, in endloser Schwärze, blühte die Musik bei jedem Hieb in goldenen und roten Novä auf.
    Seine Tasche war gepackt. In seinem Geldgürtel war mehr Bares, als er jemals ausgeben würde. Nichts war unerledigt geblieben. Die Musik hörte auf, und Geiger kam zur Ruhe, durchnässt und mit einem Puls, den er bis in die Schläfen und die Zehen spürte. Er ging wieder ins Haus.
    Zanni saß an seinem Schreibtisch, den Kater auf dem Schoß. Ihre Gegenwart schaltete seinen Herzschlag augenblicklich eine Stufe hinunter. Die Schnelligkeit, mit der es geschah, erzeugte ein leises Klingeln in seinen Ohren.
    »Nette Katze«, sagte sie. »Ich habe geklopft. Sie schließen Ihre Tür nicht ab.«
    »Nein. Nicht, seit ich mit IR aufgehört habe.«
    Ihr Blick nahm seine Fast-Nacktheit gelassen in sich auf. Kein Körperfett, straffe Haut über harten Muskeln, und dank der durch das Training angeheizten Herztätigkeit standen die angeschwollenen Adern unter der Haut wie Schnüre hervor. Sein Körper erinnerte sie an die Zeichnungen in einem Anatomielehrbuch – bis auf die Narben. Sie entsprachen Daltons Beschreibungen, nur die sternförmige Zikatrix auf seiner Brust stellte eine Überraschung dar und wirkte neu.
    Als er unter die Dusche ging und ein Handtuch vom Halter nahm, erhaschte Zanni einen Blick auf die Austrittswunde. Kaliber 38 oder etwas Ähnliches. Stammte daher das Blut auf dem Bootssteg? Sie versuchte, es sich vorzustellen: Hall, der aus vier bis sechs Meter Entfernung feuerte. Geiger, der mit einer spritzenden Wunde zu Boden ging, schwere Blutung aus dem Rücken … Wie war er überhaupt wieder hochgekommen?
    Geiger begann sich abzutrocknen. »Sie kommen früher, als ich dachte«, sagte er.
    »Aber nicht aus dem Grund, den Sie annehmen. Sie müssen sich etwas ansehen.« Sie hielt eine CD-Hülle hoch. »Wir haben es heute Morgen per E-Mail bekommen – aber es ist für Sie.«
    »Abgesehen von Ihnen weiß nur ein Mensch, dass ich noch lebe – und er würde Ihnen keine Mail schicken.«
    »Wie gesagt – Sie müssen es sich ansehen. Darf ich?«
    Sie wedelte mit der Hülle, und das Abendlicht, das durch das Dachfenster einfiel, tauchte sie in Gold – wie eine Reliquie, die, wie Geiger spürte, die Macht besaß, Norden in Süden zu verwandeln und die Aussicht auf Einsamkeit in Tumult. Es sich anzusehen war ein Akt der Selbstverleugnung und unwiderruflich, dessen war er sich sicher. Er spürte, wie sein innerer Kompass kippte.
    Er nickte. »Nur zu.«
    Zanni nahm die DVD heraus und schob sie in den Laptop. Sie stand auf, und Geiger kam und nahm ihren Platz ein. Die Schwärze verschwand vom Schirm, und in hellroter Schrift erschien GEHEIM – DEEP RED . Etwas in der Luft berührte ihn. Ein Geruch. Wie bei Proust. Kühle Fingerspitzen auf fiebriger Stirn.
    »Was ist das für ein Geruch?«, fragte er.
    »Lavendel.«
    Eine andere Stimme sang zu ihm: »You are the sunshine of my life …«
    Geiger widerstand dem Sog – dem Drang, sich treiben zu lassen. Er wandte sich Zanni zu. »Was haben Sie gesagt?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite, als sie seine Miene sah. »Lavendelwasser. Sie riechen mich. «
    »Hallo«, sagte jemand anderer – mit einer Wirkung, die so kalt war wie die Stimme des Gespenstes warm. Zanni wies auf den Laptop, und Geiger wandte sich ihm wieder zu. Dalton blickte ihn als Nahaufnahme an.
    »Heute ist der 4. April. Gestern erst habe ich erfahren, dass Geiger in New York, in Brooklyn lebt und dass Sie Kontakt zu ihm aufgenommen haben. Ehrlich gesagt hatte ich immer angenommen, dass er noch lebt – ich habe es in einer Vision gesehen –, aber dennoch war ich fasziniert, als es bestätigt wurde.«
    »Er ist auf freiem Fuß«, sagte Zanni.
    Geigers Bewusstsein glich dem Herbst – einem Teppich aus sprödem, totem Laub, durch das Gedanken mäanderten, die Blätter beiseiteschoben und offenbarten, was unter ihnen lag – warm,

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